Einreichungsfassung vom 09.02.2023
Eingereicht von Ralf Laging & Reiner Hildebrandt-Stramann
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung Stufenmodell A: Laufen, Springen, Werfen – Leichtathletik
- Literaturverzeichnis A
- Grundthema-A1:-Laufen
- Tabelle Grundthema Laufen (A1)
- Grundthema A2: Springen
- Tabelle Grundthema Springen (A2)
- Grundthema A3: Werfen
- Tabelle Grundthema Werfen (A3)
1. Einleitung Stufenmodell A: Laufen, Springen, Werfen – Leichtathletik
Um was geht es beim Laufen, Springen, Werfen?
Laufen, Springen, Werfen sind elementare Bewegungsweisen, die dem Menschen angeboren sind und sich phylogenetisch entwickeln. Über das Laufen können sich die Menschen eine Vielzahl unterschiedlicher Bewegungsräume erschließen. So erweitern Kleinkinder durch das Laufen ihren Aktionsradius, sie erlangen mehr Selbständigkeit und entdecken ihre Umwelt.
Die aus einer Normalitätsperspektive existierenden Vorstellungen zum Laufen, Springen und Werfen kollidieren vielfach mit der hier thematisierten Inklusionsperspektive. Einige Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen können sich vielleicht nicht in diesem Sinne fortbewegen oder etwas wegbewegen. Daher muss die Thematisierung dieser Bewegungsformen weitergefasst werden als es das leichtathletische Laufen, Springen und Werfen nahelegt. Es geht darum, sich mit seinen je gegebenen körperlichen Voraussetzungen fortzubewegen, auch mit dem Rollstuhl oder anderen Geh- und Laufhilfen, das Springen als je individuell gestaltetes Abheben vom Boden zu verstehen und das Wegbewegen von etwas aus unterschiedlichen Körperlagen und -situationen zu ermöglichen. Die in den Lernangeboten beschriebenen Bewegungsaufgaben sind bewusst offen gehalten für individuelle Bewegungslösungen und -gestaltungen innerhalb des Bewegungsfeldes. Um jedoch den Kern dieses Bewegungsfeldes zu verstehen, werden zunächst die Bewegungsformen aus bewegungstheoretischer Perspektive beschrieben, aus der sich die Variationsbreite des Sich-Fortbewegens und etwas Von-Sich-Wegbewegens für den inklusiven Unterricht erst ergibt.
Laufen, Springen und Werfen sind zunächst einmal elementare Bestandteile fast aller anderen Bewegungsfelder und werden dort im Kontext der jeweiligen Kernidee des Bewegungsfeldes thematisiert. Beim leichtathletischen Laufen, Springen und Werfen stehen diese elementaren Bewegungsweisen nicht „im Dienst“ anderer Bewegungsabsichten (z. B. als notwendiges Laufen in den Spielen oder als Springen zur Realisierung einer Sprungform über ein Turngerät), sondern sind in ihrer Eigenbewegung selbst das Thema sportlicher Bewegungshandlungen. Ohne allerdings die Funktionalität des Laufens, Springens und Werfens durchgängig und von vorneherein auf die normierten leichtathletischen Wettkampfdisziplinen festzulegen, geht es ganz grundsätzlich um ein vielfältiges Laufen/Sich-Fortbewegen in unterschiedlichen Umgebungen, das langsam, ausdauernd oder schnell, auf kurzen oder langen Strecken, geradeaus oder in Kurven, ohne oder mit Hindernissen erfolgen kann, um ein Abspringen vom Boden mit dem Ziel, eine große Sprungweite oder -höhe, mit oder ohne Zwischensprünge, von etwas herunter oder über etwas hinweg, mit oder ohne unterstützende Gerätehilfe zu erreichen oder um einen Gegenstand (Ball, Speer, Kugel, Diskus, Stein), der möglichst weit, hoch oder kunstvoll geworfen oder gestoßen werden soll, wofür es jeweils unterschiedliche Beschleunigungsvarianten gibt. Auch wenn das leichtathletische Laufen, Springen und Werfen im Kern die Zeitminimierung definierter Strecken sowie die Höhen- und Weitenmaximierung beim Springen und Werfen zum Ziel hat, bieten die elementaren Bewegungsweisen für den schulischen Kontext weit mehr Erfahrungspotenzial an als es die klassische Leichtathletik nahe legt, insbesondere unter der Perspektive vielfältiger Sinnes- und Körpererfahrungen. Das Stufenkonzept Laufen, Springen und Werfen thematisiert daher die elementaren Bewegungsweisen in ihren vielfältigen ästhetischen Erfahrungsqualitäten, ohne den leichtathletischen Kern im Verlauf der Stufenfolge als Steigerung des persönlichen Könnens durch Minimierung und Maximierung von Zeiten und Weiten aus dem Blick zu verlieren. Diese Auslegung zeigt sich vor allem in der phänomenalen Betrachtung der elementaren Bewegungsweisen:
Laufen
Charakteristisch für das Laufen ist das Fortbewegen auf dem Boden mit dem Ziel, von einer zur anderen Stelle zu gelangen. Dabei geht es um die Fähigkeit, sich aus eigener Kraft zum schnellen und langen Laufen/Fortbewegen zu bringen. So entsteht das Gefühl einer selbst erzeugten Geschwindigkeit und zunehmend auch das der Leichtigkeit einer – je nach körperlicher Voraussetzung – mehr oder weniger wohlkoordinierten und flüssigen Bewegung.
Springen
Springen ist eine Bewegungshandlung, bei der man sich vom Boden lösen bzw. wegschnellen muss, um ein Hindernis zu überqueren oder „fliegend“ eine gewisse Distanz zu überwinden. Mit dem Loskommen vom Boden ist unweigerlich das Erlebnis des Fliegens verbunden. In dieser Phase des Fliegens machen wir „die Erfahrung des Frei-Seins von der irdischen Schwerkraft“ (Trebels, 1988, S. 14). Beim Landen zieht uns die Schwerkraft wieder auf den Boden zurück.
Werfen und Stoßen
Beim Werfen und Stoßen soll ein Ball/eine Kugel oder ein anderes Wurf- bzw. Stoßobjekt vom Körper wegbewegt, z. B. möglichst weit oder auch möglichst hoch geworfen bzw. gestoßen werden. Beide Intentionen sind jedoch nur dann erreichbar, wenn es dem Werfenden/Stoßenden gelingt, das Wurfgerät zum Fliegen zu bringen.
Nach Beckmann und Probst (2015) entwickeln diese Bewegungsformen dadurch einen Reiz, „dass man sich selbst beim Laufen und Springen intensiv spürt, man erlebt Körperreaktionen (schnelles Atmen, Schwitzen) und spürt die Anstrengung (Krafteinsatz) sehr direkt. Beim Werfen geht es vor allem um die Geschicklichkeit, mit der es gelingt, ein Wurfgerät durch die Luft zu bewegen“. Ein weiterer besonderer Reiz der Bewegungshandlungen besteht in der Vergleichbarkeit der Leistungen mit anderen oder mit der eigenen Leistung. „Beim Wettlauf ist dieser Vergleich direkt ersichtlich, ansonsten lassen sich Weiten und Zeiten sehr genau messen und dann vergleichen“ (ebd., S. 33). Dieser Vergleichbarkeit untereinander und der Messbarkeit bis zu maximalen Leistungen geht ein prozesshaftes Erleben und Bewältigen von Schwierigkeitssteigerungen voraus und bleibt fortwährend auf allen Könnensstufen erhalten (vgl. Brand, 2012, S. 139f.). Allerdings ist ein Vergleich untereinander nur dann sinnvoll, wenn für alle die Chancengleichheit auf den Erfolg gegeben ist. Dies gilt erst recht für inklusive Lerngruppen. Insofern sind Wettkämpfe immer an Bedingungen zu knüpfen, die die Vergleichbarkeit der Leistungen sicherstellen (z. B. durch Ausgleichregeln, Gruppenleistungen, Nachteilsausgleich, neuartige inklusive Wettkämpfe). Zu den Bedingungen gehört auch die Freiwilligkeit der Teilnahme an dem Leistungsvergleich. Daher ist es so wichtig, den Unterricht in diesem Bewegungsfeld nicht mit messbaren Leistungen und dessen Vergleich zu beginnen, sondern in den ersten Zugängen die ästhetischen Erfahrungen des Laufens/Fortbewegens, Springens und Werfens in Verbindung mit der Problembewältigung leichtathletischer Herausforderungen zu betonen.
Zugänge im Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“
Es ist aus der Sicht der curricularen Entwicklung des Schulfaches Sport noch gar nicht so lange her, dass die meisten mit dem Sport in unserer Gesellschaft vertrauten Menschen mit dem Laufen, Springen und Werfen als Inhalt des schulischen Sportunterrichts die leichtathletische Bedeutung des „Schnelllaufens, Weitspringens und Weitwerfens“ verbanden. Diese Interpretation war auch naheliegend, weil in den traditionellen Curricula des Schulsports das Bewegungsfeld als „Leichtathletik“ bezeichnet wurde. Damit verbunden war eine inhaltliche Auslegung als normierte leichtathletische Wettkampfdisziplin, in der es um eine möglichst schnelle Laufzeit beim Durchlaufen einer bestimmten Strecke, um eine größtmögliche Sprungweite oder Sprunghöhe oder auch Wurfweite unter möglichst standardisierten Bedingungen geht. Die Folge einer solchen Bindung der Didaktik an vorgegebene Inhalte war eine technologische Modellierung des Sportunterrichts, die ihren Ausgangspunkt in der Bewegungstechnik der erfolgreichen leichtathletischen Sportler und Sportlerinnen nahm, die es im Rahmen eines systematischen methodischen Lehrgangs zu erlernen galt. Mit der Umstrukturierung der Curricula von einer Sportartenorientierung hin zu Bewegungsfeldern sollte es, wenn es sich dabei nicht nur um eine bloße Umetikettierung der Bezeichnung handelte, um eine bildungstheoretische Grundlegung gehen, in der vor allem die ästhetischen und prozessorientierten Erfahrungspotenziale im Mittelpunkt des didaktischen Vermittlungsinteresses stehen. Zur Umsetzung der Erfahrungsorientierung als Vermittlungsprinzip schlägt Beckmann (2011, S. 35) zwei Erkundungswege vor: eine „offene Erkundung“ und eine „funktionale Erkundung“. Bei einer offenen Erkundung geht es um das Entdecken und Erproben vielfältiger Situationen des Laufens, Springens und Werfens. Damit verbunden ist die Zielsetzung des Sammelns vielfältiger Bewegungserfahrungen. Die funktionale Erkundung zielt, wie zuvor schon beschrieben, auf eine bewegungsmäßige Auseinandersetzung mit spezifischen Bewegungsproblemen des leichtathletischen Laufens, Springens und Werfens. Bezogen auf die Zugänge kann man folgern, dass beim basalen und elementaren Zugang schwerpunktmäßig offene und beim primaren und sekundaren Zugang funktionale Erkundungswege eingeschlagen werden sollen. Im Folgenden werden beide Wege lernstufenspezifisch beschrieben.
Basaler Zugang: Körpererfahrung in Bewegung
Das „Laufen-Können“ bedeutet ein Meilenstein in der kindlichen Entwicklung, weil das Laufen es dem Kind ermöglicht, schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen. Ist ein Gehen/Laufen mit beiden Beinen eingeschränkt oder nicht möglich, so wird möglicherweise dennoch eine Fortbewegung in irgendeiner Weise erfolgen – vielleicht auch material unterstützt –, die eine Teilhabe an diesem Grundthema zulässt. Außerdem hat das Kind beim „Laufen“ – sofern die körperlichen Voraussetzungen dies zulassen – beide Hände frei, mit denen es nach etwas greifen, sich festhalten und auch das Gleichgewicht halten kann. Nach dem Prozess des „Laufen“-lernens kommt es im leichtathletischen Sinne darauf an, die Entwicklung einer koordinierten Laufbewegung zu fördern. Eine koordinierte Laufbewegung kann man aus einer qualitativen Sicht als fließend, harmonisch und rhythmisch bezeichnen. Eine solche Bewegungsqualität ist dann zu erreichen, wenn dem Kind im Sinne des „offenen Erkundens“ vielfältige Laufangebote gemacht werden. Der basale Zugang bezieht sich auf die Vielfältigkeit der Laufmöglichkeiten und hier vor allem auf den Raum, auf die Untergründe, auf die Geräte und Materialien und auf die Personen, die in das Laufgeschehen eingebunden sind. Alle Situationen fordern immer wieder neu die Verbindung von Motorik und Sensorik heraus und helfen, das Bewegungsmuster und die Fähigkeit der Raumwahrnehmung zu sichern und zu verbessern.
Wie beim Laufen, so fördert auch – immer auf der Grundlage der jeweiligen körperlichen Voraussetzungen – das vielfältige Springen die Entwicklung der Bewegungsgeschicklichkeit von Kindern, sofern ihnen die Möglichkeit zum Springen als Abheben von Boden gegeben ist. Wichtig sind beim basalen Zugang vielfältige, aber einfache Sprunggelegenheiten. Das Springen ist in bei diesem Zugang oft ein beidbeiniges Hüpfen. Die Kinder hüpfen in der Ebene von einem Gegenstand zum anderen, sie springen von etwas herab auf den Boden, auf einen weichen Untergrund oder sie springen durch Reifen. Alle Sprung-/Hüpfsituationen verlangen vom Kind die Fähigkeit, sich selbst einen Impuls zu geben, um sich vom Untergrund zu lösen und danach in eine wie auch immer ausgeprägte Flugphase zu gelangen. Mit dem Impuls gelingt es dem Kind, für einen Moment die Gravitätskraft zu überwinden. Bei der Landung hat diese Gravitätskraft wieder die Oberhand gewonnen. Deshalb ist es notwendig, ein Gefühl für das Abfedern (weiche Landung) zu gewinnen. Da dieser Vorgang auch eine gewisse Gleichgewichtsfähigkeit erfordert, können wir immer wieder beobachten, dass die Kinder beim Landen „umfallen“, d. h. nach vorne, hinten oder zur Seite wegkippen, was ihnen aber oft große Freude bereitet. Insgesamt geht es um die Entwicklung der Fähigkeit der Dosierung von Kraftimpulsen beim Abspringen und der Abfederung der Gewichtskraft beim Landen sowie um die Fähigkeit der Koordination der einzelnen Bewegungsphasen zu einer Gesamtbewegung.
Das Werfen ist eine Bewegungstätigkeit, die grundsätzlich der Verbesserung der Auge-Handkoordination dient und immer dann möglich ist, wenn Kinder ihre Arme und Hände frei bewegen können. Entwicklungsgemäß geht dem Werfen das Greifen voraus. Ab ca. dem Ende des 1. Lebensjahres beginnen Kinder mit runden Gegenständen (Bälle etc.) zu rollen oder auch von unten beidhändig zu werfen (sog. Schockwurf). Die Koordination des ganzen Armes, also das Werfen von „hinten nach vorne“ (Ausholbewegung als Rückwärtsbewegung, Wurfbewegung als Vorwärtsbewegung, als Bewegung in Wurfrichtung), die es dem Kind ermöglicht, einen Gegenstand irgendwohin zu werfen, beginnt als einhändiger Schlagwurf in der Regel erst ab dem 2. Lebensjahr. Der basale Zugang dient dazu, das Werfen mit vielfältigen Gegenständen (unterschiedlich große Bälle, Sandsäckchen, zusammengeknülltes Papier etc.) zu fördern. Allerdings ist diese Art des Werfens wenig zielorientiert oder zielgenau. Die laterale Dominanz (Rechtshänder/Linkshänder) entwickelt sich erst etwa im achten oder neunten Lebensjahr.
Elementarer Zugang: Bewegen- und Wahrnehmen
Grundsätzlich soll der elementare Zugang die Entwicklung der koordinativen Fähigkeiten des Laufens, Springens und Werfens – wie beim basalen Zugang beschrieben – gefördert werden, so dass sich die Bewegungsqualitäten insgesamt weiter verbessern. Gleichwohl gelangen bei diesem Zugang neben der explorativen Bewegungsbedeutung (Laufumgebung, Wurfobjekte erkunden) weitere Bedeutungen in den didaktischen Blick. Bei der adaptiven Bedeutung geht es z. B. darum, das Laufen wie auch das Springen und Werfen mit Bezug auf die eigenen körperlichen Voraussetzungen den jeweiligen Anforderungen anzupassen, bei der produktiven Bedeutung gestalten die Lernenden z. B. eine Lauf- bzw. Sprung- oder Wurfumgebung und davon beeinflusst die jeweilige Bewegungsausführung mit, bei den ersten Staffelläufen als Gruppenläufe oder auch anderen Gruppenwettkämpfen zum Springen und Werfen wird die kommunikative Bedeutung und bei Wettläufen oder dem möglichst weiten Werfen bzw. Springen, bei denen es um die Überbietung der eigenen und fremden Leistung geht, die komparative Bedeutung im Kontext eines chancengleichen Vergleichs thematisiert. Insbesondere die unterrichtliche Umsetzung der zuletzt genannten Bedeutung verlangt, mit den Schüler*innen über den Gedanken der Chancengleichheit durch Ausgleichsmöglichkeiten zu reflektieren und umsetzen. Die sensitive Bedeutung, bei der es um die Körpererfahrung und -wahrnehmung geht, wird z. B. bei einem Vergleich des Barfußlaufens mit dem Laufen in Schuhen angesprochen.
Primarer Zugang: Sportliches Handeln- und Urteilen
In Verknüpfung mit dem vorherigen Zugang gibt es beim primaren Zugang zwei Schwerpunkte: Zum einen ist dies der Schwerpunkt einer körpererfahrungsorientierten Leichtathletik und zum anderen eines Verstehens leichtathletischer Bewegungsabläufe. Eine an Körpererfahrungen orientierte Leichtathletik steht nicht unbedingt im Gegensatz zu einer wettkampforientierten Leichtathletik. Sie fokussiert die Wahrnehmung auf körperliche Empfindungen, die die Bewegungen des Laufens, Springens und Werfens bei jede/m/r einzelnen Schülerin auslösen können. „Körpererfahrungsorientierter Leichtathletikunterricht verlangt mehr erfahrungsorientiertes Suchen und Finden, dagegen weniger Nachmachen, mehr intensive Beschäftigung mit dem Istwert von Bewegungen und geringere Orientierung an Sollwerten, Verlagerung der Aufmerksamkeit von den Leistungs- und Erfolgszielen zu den Mitteln und Wegen des Tuns“ (Treutlein, 1995, S. 17). Diesen didaktischen Ansatz lernen die Schülerinnen z. B. dann kennen, wenn in den Lernaufgaben explizit die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt gefordert wird. Als Beispiel nennt Treutlein (1995, S. 17) die Zentrierung der Aufmerksamkeit beim Hoch- oder Tiefstart auf das Körperspannungsgefühl. Gefragt z. B. wird danach, „bei welcher Startstellung … eine möglichst hohe Körperspannung zum explosiven Start (entwickelt wird)?“ Oder ob beim Start ein- oder ausgeatmet wird? Auf der Grundlage einer solchen bewegungsmäßigen Auseinandersetzung mit Körpererfahrungs- und Körperwahrnehmungsaufgaben kann die eigene Bewegung bewusst gemacht werden, was wiederum zu einem differenzierten Erleben führt. Aus einer gestalttheoretischen Sicht des Lernens kann allerdings diese „Ich-Zentrierung“ zu einem Problem führen, denn das Lernen erfolgt immer situationsorientiert, d.h. es ist immer an etwas gebunden, was außerhalb meines Selbst liegt. Deshalb ist das Lernen in diesem Bewegungsfeld (wie auch in allen anderen) immer als eine „Ich-Umfeld-Zentrierung“ zu inszenieren bzw. so zu inszenieren, dass der Lernende diesen Schritt von der „Ich-Zentrierung“ zur „Ich-Umfeld-Zentrierung“ selbständig gehen kann. Diesem Wahrnehmungstheorem folgen die zuvor erwähnten Erkundungswege einer offenen und einer funktionalen Erkundung. Beide Erkundungswege lernen die Schülerinnen dann kennen, wenn sie z. B. ausdauerndes Laufen trainieren und hierbei ganz im Sinne einer pädagogischen Trainingslehre aufgefordert werden, die Körperreaktionen vor und nach den einzelnen Laufinszenierungen (Pulsfrequenz messen) zu ermitteln und auf dieser Grundlage subjektive Belastungsparameter mit Hilfe der Anwendung der Borg-Skala zu finden. In einer pädagogischen Trainingslehre geht es u.a. um den Erwerb der Fähigkeit einer individuellen Belastungssteuerung. Das subjektive Belastungsempfinden eignet sich gut zur individuellen Belastungssteuerung. Eine der bekanntesten Skalen zur Beurteilung der subjektiven Belastungsintensität ist die nach dem schwedischen Physiologen Gunnar Borg benannte Borg-Skala (Hess u.a., 2018, S. 76). Es kommt spätestens bei diesem Zugang darauf an, den Schülerinnen die Funktionalität der einzelnen leichtathletischen Bewegungsabläufe im Rahmen „biomechanischer Experimente“ (Beckmann, 2011, S. 2) bewusst zu machen, um dadurch die subjektiven Möglichkeiten des eigenen Potenzials ausschöpfen zu können. Am Beispiel des Weitspringens soll die Reflexion funktionaler Sichtweisen mit Schülerinnen noch einmal vorgestellt werden. Ausgangspunkt ist die funktionale Frage nach dem „Was“: Was muss der/die Weitspringerin tun, um weit zu springen? Beckmann (ebd.) beschreibt das „biomechanische Experiment“ wie folgt: Die Lernenden sollen mehrere Weitsprünge mit unterschiedlichen Beschleunigungsformen durchführen. Sie sollen „mehrfach aus dem Stand mit einem Auftaktschritt von einem Bein“ (ebd.) abspringen und soweit wie möglich fliegen. Dabei sollen die Schüler*innen sich gegenseitig beobachten und erklären, wie sie Schwung für den Sprung geholt haben. Danach sollen sie in gleicher Weise von einer erhöhten Position abspringen. Sie sollen die erreichte Weite mit der ersten Weite vergleichen und Schlüsse aus den Beobachtungen und dem Vergleich der beiden Sprünge für die ursprüngliche Absicht (weit zu springen) ziehen. Beckmanns didaktischer Kommentar lautet: „Durch das Ausschalten der horizontalen Geschwindigkeit und die Situationsgestaltung können technische Aspekte des Absprungs und des vertikalen Impulses bewusst selbst wahrgenommen und auch bei den Partnern beobachtet werden. So können die Beschleunigung aus einer Streckbewegung des Sprungbeines und die Schwungunterstützung durch Schwungbein und Arme bewusst werden. Aus dem Sprung mit erhöhter Absprungposition, der normalerweise zu einer größeren Weite führt, kann die Erkenntnis erschlossen werden, dass man zum Weit(er)springen (und damit auch zum Fliegen; Anm. die Autoren) auch hochspringen muss“ (ebd.). In der Folge können ebenso problemorientiert die Zusammenhänge zwischen Anlaufgeschwindigkeit und Sprungweite ermittelt werden. Eine ähnlich funktionale Argumentation liefert Scherer (2001, S. 4) für das in den Lernbausteinen vorgestellte Beispiel des Speerwerfens. Die Bedeutung des kurzen Dreischrittanlaufs beim Werfen mit dem Speer ergibt sich aus der Funktion des „Stemmens“. Scherer (2001, S. 4) erklärt den Sachverhalt wie folgt: „Die Einleitung des Armzugs und ein wesentlicher Anteil der Rumpf-Armbeschleunigung durch Bogenspannung sind beim Werfen mit Anlauf Resultate des durch Stemmen exzentrisch aus seiner Geschwindigkeit abgebremsten Körpers, […]. Deshalb sollte grundsätzlich aus dem Anlauf geworfen und dieser im Rahmen des Lernfelds zu einem Dreischrittrhythmus modifiziert werden. […] Diese dynamisch-rhythmische Gestalt mit dem Abwurf als Akzent sollte sich als Grundstruktur des Werfens etablieren können und als Basis weiterer Differenzierung dienen. Wesentlich ist dabei das Erfahren der Stemmfunktion.“ Erste Einblicke können durch kontrastierende Aufgaben gewonnen werden.
Sekundarer Zugang: Sport- und bewegungskulturelle Partizipation im Handeln und Wissen
Will man die Kanalisierung des leichtathletischen Laufens, Springens und Werfens aufbrechen und überschreiten, dann geht es im schulischen Kontext darum, die bestehende Realität dieser sportiven Auslegung so zu entschlüsseln, dass deren typische Auslegung zugleich auf andere potenzielle mögliche Auslegungen verweist. Genau darin liegt eine große Chance für den inklusiven Unterricht im Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“ – die strukturellen Anforderungen und regelgeleiteten Ausführungsformen aufbrechen und überschreiten! Ein erster Schritt beim sekundaren Zugang wäre, das System Leichtathletik mit Hilfe der von Digel (1978) vorgeschlagenen Regelkategorien zu beschreiben. Mit Hilfe dieser Raum-, Zeit-, Personal-, Inventar- und Handlungsregeln besteht die Möglichkeit, die dadurch erfolgten Festlegungen des sportiven Laufens, Werfens und Springens zu rekonstruieren und nach dem Sinn solcher Festlegungen zu fragen. So kann man in einem zweiten Schritt mit den Schüler*innen herausarbeiten, dass diese Regeln notwendig sind, um die in diesem Sportsystem erbrachten Leistungen objektiv miteinander zu vergleichen. Eine objektive Vergleichbarkeit ist aber nur dann erforderlich, wenn es um einen Leistungsvergleich geht. In einem dritten Schritt geht es auf der handelnden Ebene um die Identifizierung der Regeln, die dann in einem vierten Schritt verändert werden, um neue Lauf-, Sprung- und Wurfformen und damit andere Sinnhorizonte zu entdecken, die die Prinzipien der Zeitminimierung und Distanzmaximierung übersteigen bzw. außer Kraft setzen und stattdessen zu neuen bzw. anderen, subjektiv bedeutsamen Themenauslegungen kommen. Dabei kann es sich um Themenauslegungen handeln, die bereits bei den vorausgehenden Zugängen angesprochen worden sind, wie z. B. die Themen der Umweltbegegnung und der Körpererfahrung.
Grundthemen im Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“
Die Grundthemen ergeben sich aus der Bezeichnung des Bewegungsfeldes: Es geht um das
- Laufen,
- Springen und
- Werfen.
Während bei den ersten beiden Zugängen das Bewegungserlebnis dieser Grundthemen sowie die Vorbereitung auf die Bewältigung leichtathletischer Bewegungsprobleme (schnell, lange, weit, hoch) im Mittelpunkt stehen, rücken beim primaren und sekundaren Zugang die leichtathletische Perspektive zunehmend in den Vordergrund, wobei sich diese in der inklusiven Schule nicht auf das Abbilden der leichtathletischen Wettkampfszene beschränken darf. Im Zentrum einer schulischen Leichtathletik steht vielmehr eine individuelle und subjektorientierte Auslegung der Grundthemen, in der es um eine Verknüpfung bewegungsstruktureller Anforderungen mit den individuellen Möglichkeiten geht (vgl. Beckmann, 2011, S. 1; Treutlein, 1995; Schippert, 1984, S. 15; Jacobs, 2009; Brand, 2012). Eine solche Verknüpfung ist z. B. dann gegeben, wenn die Schülerinnen vielfältige individuelle Erfahrungen mit den elementaren Bewegungsweisen und seinen typischen Bewegungsproblemen machen können, die im Prozess der Könnensentwicklung miteinander verglichen, problematisiert und reflektiert werden.
Gerade das leichtathletische Bewegungshandeln neigt wegen seiner Eindeutigkeit der erzielten Leistungen zur Reduktion auf das messbare Ergebnis, verbunden mit scheinbar festgelegten bewegungstechnischen Vollzügen. Kaum eine andere Sportart verkörpert den „richtigen“ Sport in seiner Überbietungsfunktion so unverwechselbar wie die Leichtathletik. Daher scheinen auch die Bewegungstechniken für das „richtige“ schnelle Laufen, weite Werfen und weite bzw. hohe Springen als selbstverständliche Unterrichtsinhalte zu gelten. Hier wird zum einen gleichsam das bewegungstechnische Können von Weltklassesportlern und -sportlerinnen mit ihren herausragenden koordinativen und konditionellen Voraussetzungen auf das Vermögen von Kindern und Jugendlichen übertragen und zum anderen der Lernprozess vom Ende her – also von der „richtigen“ Bewegungstechnik – gedacht, indem in kleinschrittiger Weise der Bewegungsablauf zerlegt und additiv in Form von methodischen Übungsreihen scheinbar problemlos zusammengefügt wird. Mit dieser irrigen Annahme setzen sich dann Schülerinnen mit den Bewegungsausführungen, die für sportliche Höchstleistungen gedacht sind, auseinander, ohne selbst die Voraussetzungen dafür mitzubringen.
Für den schulischen Lernprozess zur Entwicklung eines leichtathletischen Könnens im Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“ bieten sich für heterogene Lerngruppen stattdessen differenzierte Lernsituationen an, die das jeweilige Bewegungsproblem der Grundthemen mit dem individuellen Vermögen in einer problemorientierten Herangehensweise verbinden. In diesem Verständnis von Bewegungslernen stellt sich für die Lernenden jeweils die Frage, was sie tun müssen, um beim Werfen den Wurfgegenstand zu beschleunigen, beim Laufen/Fortbewegen z. B. über Hindernisse unmittelbar nach dem Überlaufen des Hindernisses schnell wieder auf dem Boden vorankommen zu können bzw. schnell wieder Tritt zu fassen oder beim Weitspringen die Beschleunigung des eigenen Körpers durch Absprung in einen weiten Flug zu übersetzen. Aus diesen Problemstellungen ergeben sich für die Lernenden Suchräume nach den für sie angemessenen Bewegungslösungen. Die dann gefundene Bewegungsform oder -technik ist insofern immer eine Folge der Auseinandersetzung mit dem Bewegungsproblem, sie entsteht überhaupt erst im Prozess des genetischen Vorgehens. Hier steht zunächst in vielfältigen Lernsituationen das Erleben des Laufens, Springens und Werfens im Vordergrund, es erfährt im Kontext des leichtathletischen Vergleichens von Leistungen die Zuspitzung auf die Frage, was zu tun ist, um weiter/höher zu springen, schneller zu laufen oder weiter zu werfen. Das erlebnisreiche Laufen, Springen und Werfen geht über in die problemorientierte Bearbeitung des jeweiligen Kerns dieser Grundthemen und schließlich in die Weiterführung zur Entwicklung eines individuellen leichtathletischen Könnens. Ein so entwickeltes Können braucht auch im Kontext einer inklusiven Leichtathletik einerseits den Vergleich mit sich selbst, also die individuelle Verbesserung der eigenen Leistung, und andererseits Vergleichskontexte, die Gleichheit in der Differenz ermöglichen, um den Ausgang des Wettkampfs offen und chancengleich zu halten. Hier sind pädagogische Angebote gefordert, die es Lernenden in heterogenen Gruppen erlauben, sich gemeinsam im Mit- und Gegeneinander zu vergleichen (z. B. unterschiedliche Wurf-, Sprung- oder Laufanforderungen, auch in kombinierten Formen, interessensbezogeneGruppierungen, selbstentwickelte Wettkampfformen oder Gruppenwettkämpfe, in denen es auf die Leistung der Gruppe ankommt).
Grundlage für das hier vorgeschlagene problemorientierte Vorgehen im Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“ sind Erkenntnisse zur Variabilität und Individualität von Bewegungsvollzügen, insbesondere in der Leichtathletik (Schöllhorn u.a., 2009). Jeder einzelne Bewegungsvollzug steht gleichsam für einen je neuen Bewegungsversuch zur Lösung der Bewegungsaufgabe und jede Bewegungsausführung unterliegt Schwankungen, so dass dieselbe Bewegung niemals identisch wiederholt werden kann. Selbst bei Spitzensportler*innen haben Untersuchungen zur Anlauf-Schrittlänge beim Weitspringen erhebliche Differenzen bei (fast) gleichbleibenden Ergebnissen ergeben (Loosch & Tamme, 1998). Entgegen dieser Erkenntnisse sind die „traditionellen Lernansätze […] im Kern auf eng gefasste, personenunabhängige Idealbewegungen ausgerichtet (…) und versuchen, sich diesen auf der Basis klassischer Informationsmodelle ziel- und eher lehrerorientiert über unmittelbare Ist-Sollwertminimierung, d.h. Fehlerkorrekturen, anzunähern“ (Schöllhorn u.a., 2009, S. 36). Stattdessen muss es beim Lehren und Lernen darum gehen, die Variabilität einer Bewegung nicht nur anzuerkennen, sondern als didaktisches Prinzip anzuwenden. Das „Differenzielle Lehren und Lernen“ geht von einem „Rauschen“ in einem Spektrum individueller Realisierungsmöglichkeiten aus: „Der Begriff des ‚differenziellen’ betont dabei insbesondere die Differenzen, die durch zwei aufeinander folgende Bewegungen erzeugt werden, da sie im Unterschied zur reinen Wiederholung zusätzliche Informationen aus dem Vergleich zweier ähnlicher Bewegungen bereitstellt“ (Schöllhorn u.a., 2009, S. 38). Insofern geht es um variables und kontrastreiches Üben, bei dem jede Bewegung für sich als richtig im Spektrum individueller Realisierungsmöglichkeiten anzusehen ist. Statt „Einschleifen“ vermeintlich „richtiger“ Bewegungen, geht es um das Wahrnehmen von Differenzen im Vergleich eigener Bewegungen. Damit sind Abweichungen von der Zielbewegung keine Fehler, sondern notwendig, um den Lernprozess anregen zu können (Scherer, 2011, S. 80). Entsprechend verstehen wir die Grundthemen in diesem Bewegungsfeld nicht als Einführung in die Bewegungstechniken der Leichtathletik, sondern als Bewegungsweisen zur variablen individuellen Lösung leichtathletischer Bewegungsprobleme, wobei die auftretende Differenz zwischen den eigenen Lösungsversuchen das Erfahrungspotenzial für den Lernprozess bildet. Das folgende Lernangebot orientiert sich an der Systematik dieser Grundthemen. Jedes Grundthema wird in seinem Fachverständnis einführend erläutert.
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weitere Materialien Sport
2. Literaturverzeichnis A
- Beckmann, H. (2011). Erfahrungs- und problemorientiert vermitteln im Bewegungsfeld „Laufen, Springen, Werfen“. Sportunterricht, 60 (2), 34-37.
- Beckmann, H. (2011). Weitspringen erfahren und verstehen – „lohnende“ Probleme für den Unterricht in der Sekundarstufe. Lehrhilfen für den Sportunterricht, 60 (3), 1-4.
- Beckmann, H. & Probst, A. (2015). Sport fachfremd unterrichten. Auer.
- Brand, S. (2012). Laufen, Springen, Werfen – Leichtathletik. In V. Scheid & R. Prohl (2012), Sportdidaktik: Grundlagen – Vermittlungsformen – Bewegungsfelder (S. 135-152). Limpert.
- Digel, H. (1978). Strukturelle Merkmale des Sports. In O. Grupe (Hrsg.), Theorie in der gymnasialen Oberstufe. Arbeitsmaterialien für den Sportunterricht. Hofmann.
- Frankfurter Arbeitsgruppe (1982). Offener Sportunterricht – analysieren und planen. Rowohlt.
- Frey, G., Hildenbrandt, E. & Kurz, D. (1984). Laufen, Springen, Werfen. Rohwohlt.
- Hess, J., Hillebrecht, M., Kibele, A., Koerdt, M., Nußwald, T., Steinmann, M. & Wichmann, K. (2018). Trainingslehre. Materialien SII. Westermann, Schroedel, Diesterweg.
- Hildebrandt, R. (1988). Springen im offenen Gelände. sportpädagogik, 12 (1), 27-31.
- Jacobs, K. (2009). Laufen, Springen, Werfen. In R. Laging (Hrsg.), Inhalte und Themen des Bewegungs- und Sportunterrichts (S. 137-159). Schneider.
- Loosch, E. & Tamme, M. (1998). Struktur des Anlaufs und Treffgenauigkeit des Absprungbalkens im Weitsprung. In D. Teipel & R. Kemper (Hrsg.), Sportpsychologie, Diagnostik, Prognostik, Intervention (S. 281-285). bps.
- Scherer, H. G. (2001). Jan lernt Speerwerfen. Eine Lerngeschichte. sportpädagogik, 25 (4), 2-5.
- Scherer, H.-G. (2011). Bewegung lernen und lehren. sportpädagogik, 26 (5), 4-11.
- Schippert, D. (1984). Werfen. sportpädagogik, 8 (3), 13-22.
- Schöllhorn, W., Beckmann, H., Janssen, D. & Michelbrink, M (2009). Differenzielles Lehren und Lernen im Sport. Ein alternativer Ansatz für einen effektiven Sportunterricht. sportunterricht, 58 (2), 36-40.
- Schütte, U. (1988). Springen mit dem Stab: weit und hoch. sportpädagogik, 12 (1), 62-66.
- Seeg, M. (2013). Kugelstoßen in der Schule. sportunterricht, 62 (12), 372-376.
- Trebels, A. H. (1988). Springen. sportpädagogik, 12 (1), 14-21.
- Treutlein, G. Leichtathletik in der Schule neu entdecken. sportpädagogik, 19 (3), 12-20.
3. Grundthema A1: Laufen
Eine didaktische Struktur für das Laufen ergibt sich aus den Bewegungsabsichten „schnell“, „langsam“ oder „ausdauernd“ von einem Ort zum anderen, über Hindernisse/Hürden, mit Zusatzaufgaben wie beim Orientierungslauf oder beim Lauf-Biathlon sowie in einer Staffel zu laufen.
Geht es beim Laufen z. B. um das Schnelllaufen, dann stellt sich das Problem des schnellen Loslaufens. In der Sportart Leichtathletik ist dieses Problem vermeintlich mit der Tiefstarttechnik gelöst. In einer subjektorientierten Leichtathletik geht es allerdings um die Erprobung unterschiedlicher Startformen wie Hochstart, Kauerstart und Tiefstart. In Verbindung mit entsprechenden Aufgaben zur Körperwahrnehmung und dem Messen der Zeiten für die verschiedenen Starttechniken können die Schülerinnen nach individuell passenden Bewegungslösungen suchen und darüber nachdenken, warum die gefundene Lösung für sie selbst einen möglichen Zeitgewinn bringt.
Will man auf die Gesundheits- oder Trainingseffekte des Laufens hinaus, muss der Unterricht individualisiert und frei vom normierten Vergleichsdenken gestaltet werden. Individuelle Leistungssteigerung muss einen höheren Wert haben als der Leistungsvergleich. Treutlein (1990, S. 15) schlägt vor, mit Aufgaben zur Wahrnehmungszentrierung und zu Gegensatzerfahrungen den individuellen Weg zum Wohlbefinden und Genießen beim ausdauernden Laufen zu unterstützen. Beim Laufen über Hindernisse gerät das rhythmische Laufen in den didaktischen Blick. Dabei kommt es darauf an, ein Laufgefühl für die Abstände zwischen den Hindernissen zu entwickeln, so dass es dem Läufer bzw. der Läuferin gelingt, die Hindernisse rhythmisch und flüssig zu überlaufen: „Wenn man schnell sein will, muss man nicht nur schnell an das Hindernis ‚ranlaufen‘, sondern auch schnell wieder vom Hindernis ‚wegkommen‘ und beides zugleich gelingt nur, wenn man möglichst wenig ‚fliegt‘. Das eigentliche Sprinten wird somit möglichst kurz unterbrochen. Nur durch dieses Wechselspiel kann ein Bewegungsfluss entstehen, der als rhythmisch wahrnehmbar ist“ (Brand, 2012, S. 145). Lernsituationen sind daher an dieser bewegungsstrukturellen Anforderung zu orientieren. Weil aber diese Aufgabe allein schon aus körperkonstitutionellen Gründen nur mit den individuellen Möglichkeiten bewältigt werden kann, müssen die Schülerinnen Gelegenheiten erhalten, mit den Abständen zu experimentieren.
Ein weiterer Weg hin zu einem vielfältigen Laufen und zu neuen Laufgelegenheiten besteht in einer sukzessiven Veränderung der konstitutiven Regeln leichtathletischen Laufens. Über eine bewusste Identifizierung und eine sich danach ergebende systematische Veränderung der Raum-, Inventar-, Zeit- und Handlungsregeln geraten neue Laufformen mit unterschiedlichen Bedeutungen in den Blick. So geht es beim Laufen über unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten (Sand, Matsch, Finnenbahn, Rasen; Veränderung der Raumregel) um Umwelterfahrungen, beim Laufen nach der „inneren Uhr“ (Veränderung der Zeitregel) um die Entwicklung des Zeitgefühls oder bei der „Laufstafette“, bei der eine Laufgruppe eine Nachricht über eine längere Laufstrecke überbringen muss (Veränderung der Personalregel in Verbindung mit einer Veränderung der Raum- und Handlungsregel), um eine Gruppenleistung als soziale Aufgabe (vgl. Frankfurter Arbeitsgruppe, 1982, S. 95).
4. Tabelle Grundthema A1: Laufen
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär
5. Grundthema A2: Springen
Eine zentrale Frage bei der Inszenierung von Bewegungsunterricht mit dem Thema „Springen“ lautet, was jemand beim Springen tun muss, um möglichst weit/hoch springen zu können. Mit der Frage nach dem „Was“ gerät die Funktion des zentralen Bewegungsproblems und nicht die Bewegungsform in den Blick. Die Antwort lautet: Er oder sie muss sich vom Boden lösen, damit er/sie ins Fliegen kommt. Dabei stellt sich die Frage nach der Gewinnung von Energie für den Absprung, z. B. durch Anlauf, Angehen oder Aufbauen einer Körperspannung (wie beim Stand-Weitsprung). In der Folge davon geht es darum, was jemand tun muss, um die durch Anlauf oder Körperspannung gewonnene Energie in einen weiten Flug zu überführen. Anschließend muss die aufgebaute Energie mit einer Landung wieder abgefangen werden. Mit dieser Problembeschreibung lassen sich verschiedene Hinweise zur didaktischen Strukturierung gewinnen.
Zum einen kann das zentrale Bewegungsproblem beim Weit-Springen Anlass für experimentelle Lernsituationen sein, in denen es darum geht, beispielsweise zu problematisieren, was zu tun ist, um den Anlauf in einen Absprung mit anschließender Flugphase zu übersetzen, also die Anlaufgeschwindigkeit über den Absprung in den Flug mitzunehmen. Dazu gehören Bewegungsexperimente zum Absprungpunkt, der festgelegt (auf dem Balken) oder frei gewählt (Absprungzone) werden kann. Denkbar sind auch leicht erhöhte Absprungpunkte oder ein Absprung in die Tiefe (der Tief-Weit-Sprung).
Bewegungsexperimente bieten sich auch beim Anlauf an, der mit langem oder kurzem Beschleunigungsweg oder gar aus dem Stand erfolgen kann. Zum anderen erlaubt eine Akzentuierung jeweils bestimmter Bewegungsstrukturen den Lernenden, die Funktion des Anlaufens, Abspringens, Fliegens und Landens zu erkennen und in der Folge damit zu experimentieren. Ein weiterer didaktischer Hinweis besteht in der Planung von Bewegungssituationen in Form von Lernarrangements durch den Aufbau von Sprungsituationen, oft auch (wenn das Springen in der Sporthalle arrangiert wird) in Verbindung mit der Auswahl von Geräten (z. B. Anlauf über eine Kastentreppe und Absprung von einem Kasten in den Weichboden). So können Hilfen für die Bewegungssteuerung in Form räumlicher (nach oben, nach unten, in die Weite etc.), zeitlicher und dynamischer Orientierungen gegeben werden. Soll das Fliegen akzentuiert werden, so bietet sich das Arrangement der Kastentreppe mit dem Hinweis an, möglichst hoch-weit in den Weichboden zu fliegen. Soll der Absprung akzentuiert werden, so bieten sich Handlungssituationen an, in denen von unten nach oben (z. B. auf eine erhöhte Landeplattform) gesprungen werden muss. Baut man jetzt noch zwischen Absprungzone und Landeplattform eine Distanz ein, so ist damit eine dynamische Orientierung gegeben, die die Notwendigkeit eines kräftigen Absprungs signalisiert.
Etwas anders stellt sich das Problem beim Hoch-Springen dar. Das Abheben vom Boden braucht sehr viel mehr Energie, um Höhe zu gewinnen, da der eigene Körper gegen die Schwerkraft angehoben werden muss. Der Kern des Hochspringens besteht in der Herausforderung „durch Springen Höhe zu erreichen“ (Frey u.a., 1984, S. 98). Mit dem Hinweis, dass das Hochspringen „in der Geschichte der Leibesübungen und des Sports […] sehr unterschiedlich immer wieder neu gelöst worden [ist]“ (ebd.), erscheint das Hochspringen als sportkulturelles Phänomen, mit dem Sportler*innen auf der Grundlage ihrer Möglichkeiten einen soziokulturell geprägten und zugleich einen je individuellen Umgang gefunden haben. Im Hochsprung sind diese unterschiedlichen Umgangsmöglichkeiten über die verschiedenen Hochsprungvarianten wie z. B. dem Hocksprung, Straddle, Wälzer, Schersprung oder dem Fosbury-Flop repräsentiert. Schaut man sich die Lösungen an, so wird sichtbar, das die je neuen Varianten erstens dadurch möglich geworden sind, dass Matten für die Landung entstanden sind und zweitens der Körperschwerpunkt durch immer neue Sprungvariationen zunehmend dichter an die zu überspringende Latte „gelegt“ worden ist, beim Fosbury-Flop sogar unterhalb der Latte. Betrug der Abstand zwischen Körperschwerpunkt und Latte beim Hocksprung noch etwa 40 cm, so schrumpfte dieser Abstand beim Rollsprung auf 15 cm und liegt beim Flop unterhalb der Latte. Insofern haben Lernende mit einem Bewegungsproblem zu tun, das darin besteht, wie der Körperschwerpunkt nahe der Latte gehalten werden kann. Hier lassen sich zahlreiche Sprungexperimente arrangieren, wie z. B. aus frontalem Anlauf über die Latte „rollen“ oder aus dem seitlichen Anlauf mit scherenden Beinen die Latte überqueren oder sich über die Latte nach einem seitlichen Anlauf „wälzen“. Auch der Anlaufwinkel zur Latte kann ständig variiert werden. Beim Fosbury-Flop entsteht nun eine besondere Anlauf- und Übersprung-Situation. Durch einen bogenförmigen Anlauf entstehen Zentrifugalkräfte, die beim Eindrehen zur rückwärtsgewandten Überquerung der Latte einen Katapulteffekt auslösen, der der/dem Springenden entlang der Latte ein Überfliegen als Fortsetzung der Laufrichtung ermöglicht. Daher handelt es sich beim Flop auch nicht um ein mit dem Rücken zur Latte positioniertes Rückwärtsspringen, vielmehr ist es ein rückseitiges Fliegen entlang der Latte mit Lattenüberquerung. Auch hier bieten sich Lernexperimente zum bogenförmigen Anlauf aus unterschiedlichen Winkeln an.
Trotz dieser Varianz im Umgang ist allen Lösungsmöglichkeiten des Hochspringens in funktionaler Hinsicht etwas gemeinsam. So kommt es als grundlegende Anforderungsstruktur beim Hochspringen darauf an, „über einen im Tempo wohldosierten Anlauf zu einem kraftvollen, möglichst steilen Absprung zu kommen, die Latte möglichst ökonomisch zu überqueren und sicher zu landen“ (ebd., S. 99). Um diese Anforderungen meistern zu können, mag die Vergegenwärtigung biomechanischer Prinzipien der einzelnen Hochsprungvarianten für das Verstehen im Sinne einer Draufsicht auf das Hochspringen von Bedeutung und für die Lernenden auch spannend und aufklärend zu sein. Viel bedeutsamer ist jedoch, dass Lernende durch ihre eigenen Bewegungsvollzüge die darin gespürten und mit den eigenen Bewegungsvorstellungen abzugleichenden Bewegungseffekte wahrnehmen und daran eigene Lösungen zum Bewegungsproblem des „Abhebens vom Boden“ finden, die ihren körperlichen Möglichkeiten entsprechen. Auch hier gilt (wie für die anderen Grundthemen dieses Bewegungsfeldes) die konsequente Orientierung an den eigenen Bewegungsmöglichkeiten der Lernenden selbst – und wenn ein Hoch- und Weit-Springen aufgrund der körperlichen Voraussetzungen nicht möglich ist, dann werden andere Grundthemen und Bewegungsvariationen thematisiert.
6. Tabelle Grundthema Springen (A2)
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär
7. Grundthema A3: Werfen
Wenn es, wie schon bei den Grundthemen Laufen und Springen betont, um das leichtathletische Werfen geht (Werfen ist ja auch das Werfen mit Bällen beim Spielen und in Spielen), so steht auch hier die subjektive Form des Werfens als Prozess im Vordergrund. Mit dem leichtathletischen Werfen sind zunächst einmal das Schlagball-, Schleuderball- und Hammerwerfen, das Speerwerfen und das Diskuswerfen gemeint. Das Kugelstoßen gehört als spezifische Form des Wegbewegens eines Gegenstandes vom Körper ebenfalls zum Werfen. Allen genannten Formen ist gemeinsam – und darin besteht der sportliche Sinn des Werfens –, dass ein Gegenstand durch (Kraft-) Einsatz der Arme und bei größeren Distanzen und schweren Gegenständen des ganzen Körpers wegbewegt wird (vgl. Schippert, 1984, S. 13). Die grundlegenden Bewegungsabsichten beim „Werfen“ sind demnach die Bewegungshandlungen des Wegbewegens, des Wegstoßens und Wegschleuderns. Dabei unterscheidet sich die Bewegungsausführung in Abhängigkeit von bestimmten Geräteeigenschaften und der Bewegungsfähigkeit des Werfers bzw. der Werferin:
- schwere Objekte wie z. B. eine Kugel stößt man,
- kleine, leichte Objekte wie einen Schlagball werden aus dem Arm heraus gerade, schlagend oder von unten nach oben schockend geworfen,
- große, nicht zu schwere Objekte mit einem Griff wie z. B. ein Schleuderball werden drehend-schleudern geworfen.
Im Zentrum des leichtathletischen Werfens steht die Absicht der Distanzmaximierung, oft in Orientierung an individuell festgelegte oder an gruppenbezogene Vergleichswerte. Wie auch beim Laufen und Springen würde eine ausschließliche Konzentration auf die leichtathletische Perspektive eine nicht zu rechtfertigende Einengung möglicher weiterer Erfahrungsqualitäten in inklusiv zusammengesetzten Klassen bedeuten. Daher sind die beiden folgenden Punkte für das Werfen in der schulischen Leichtathletik besonders bedeutsam:
- Es geht um die Vielfalt der Wurfbewegungen und Wurfgegenstände. Dazu gehört dann beispielsweise auch das Werfen von Frisbeescheiben, Indiacas, Sandsäckchen oder anderen Gegenständen.
- Die Auseinandersetzung mit den sich stellenden Bewegungsanforderungen ist weniger technikorientiert als vielmehr erfahrungsbezogen zur Lösung des jeweiligen Bewegungsproblems beim Werfen.
Beckmann (2011, S. 35) spricht in diesem Zusammenhang von einem „funktionalen Erkunden“ einer Situation: „Das funktionale Erkunden einer Situation zielt auf das Sammeln von Bewegungserfahrungen im Hinblick auf eine bestimmte Bewegungsabsicht (z. B. schnell starten). Durch das funktionale Erkunden können spezifische Bewegungsprobleme erkannt werden, für die durch weitergehendes – problemorientiertes – Erkunden Lösungsmöglichkeiten gefunden werden können“. Aus dieser didaktischen Perspektive wird deutlich, dass es Schüler*innen selten hilft, wenn ihnen körperzentrierte Bewegungsanweisungen gegeben werden (wie die Armführung bei der Ausholbewegung). Stattdessen müssen sie das zentrale Bewegungsproblem des Werfens erspüren. Dies besteht im Fall des möglichst weiten Werfens (und nicht des schönen, geschmeidigen oder kunstvollen Werfens) darin, dass der wegzubewegende Gegenstand maximal beschleunigt werden muss. Die funktional „richtige“ Armführung (ob beim Schlagballweitwurf oder Speerwerfen) ist dann immer eine Folge der Lösung dieses zentralen Bewegungsproblems, d.h. die Bewegungsform entsteht erst durch die Lösung des Problems und nicht umgekehrt. Nun stellt sich auch hier für die Lernenden die Frage, was sie tun müssen, um eine maximale Beschleunigung zu erreichen. Sie können im Stand mit weiten Ausholbewegungen des Wurfarmes, mit einer Bogenspannung des Körpers, mit verschiedenen Angleit-/Anlaufschritten (Laufen, Gehen, Hüpfen, Anrutschen, …) experimentieren, um viel Energie aufzubauen, die dann auf das Wurfgerät übertragen werden und den Gegenstand beschleunigen soll. Möglich und didaktisch sinnvoll sind Orientierungsmarken, über oder unter die hindurch geworfen werden kann, ebenso lassen sich Zielmarkierungen anbringen, an denen der erzielte Effekt reflektierend „gemessen“ werden kann. So kommt es z. B. beim Schlagballweitwerfen darauf an, den Schlagball in einem bestimmten Winkel abzuwerfen, damit er möglichst weit fliegt. Als räumliche Orientierung könnte eine Schnur gespannt werden mit der Lernaufgabe, den Ball abwechselnd über und unter die Schnur weit weg zu werfen. Über die Raumorientierung gewinnen Lernende ein Gefühl für eine funktional passende Abwurfbewegung inclusive des „richtigen“ Timings, wann also der Ball die Hand verlassen muss. Um beispielweise die Umgebungszentrierung zu betonen, lassen sich Wurfzonen oder Zielpunkte markieren, die als intendierte Effekte den Bewegungsvollzug leiten.
Auch wenn bisher das Werfen im Mittelpunkt gestanden hat, so ist das Stoßen eines Gegenstandes (wie beim Kugel- oder Steinstoßen) zunächst einmal grundsätzlich miteingeschlossen gewesen, auch wenn es einige Unterschiede zwischen dem Werfen und dem Stoßen gibt. Gemeinsam ist beiden Formen, dass es um Ganzkörperbewegungen geht, die Bein-, Rumpf- und Armkraft zur Beschleunigung des Gegenstands bündeln und zur Erzielung einer maximalen Weite effektiv einsetzen. Bei beiden Formen dient im Vergleich zum Laufen und Springen der eigenen Körper dazu, etwas anderes von sich wegzubewegen. Gestoßen werden nun Gegenstände immer dann, wenn sie sich aufgrund des Gewichts nicht mehr werfend wegbewegen lassen: „Den Wurfakteuren offenbart sich durch das hohe Gewicht eine Widerständigkeit, die eine andere Behandlung des Wurfgegenstands erfordert“ (Seeg, 2013, S. 373). Durch das hohe Gewicht des Gegenstands muss beim Stoßen eine deutlich höhere Anfangsenergie entstehen, um den schweren Gegenstand zu beschleunigen. Dazu bedarf es spezifischer Körperbewegungen durch Drehungen, geraden Ausholbewegungen oder verschiedenen Angleitarten zur Beschleunigung des Gegenstands. Wie beim Werfen stellt sich auch hier die Frage, wie flach oder steil gestoßen werden muss und mit welcher Art der Beschleunigung der Gegenstand zu einem weiten Flug gebracht werden kann: „Für Lernende entsteht nun die Aufgabe, einen Weg zu finden, wie die Kraft des ganzen Körpers in die Kugel ‚hineingeschraubt‘ werden kann. Die je individuell gefundene Lösung dieser Herausforderung wird für die SuS am erzielten Effekt sichtbar: Die Kugel fliegt weiter, wenn es gelingt, die Stoßkraft des Körpers auf die Kugel zu übertragen“ (ebd.). Ein ausgearbeitetes Unterrichtsbeispiel mit zahlreichen Aufgabenideen in drei Lerneinheiten findet sich bei Seeg (2013). Insofern kommt es darauf an, einen schweren Gegenstand möglichst weit zum Fliegen zu bringen. Als Voraussetzung dafür müssen die Lernenden einen möglichst langen Beschleunigungsweg zur Lösung des Bewegungsproblems finden. Ausgangspunkt wäre wieder die funktionale Frage, was beim Kugelstoßen zu tun ist, um eine Kugel so stark zu beschleunigen, damit sie möglichst weit fliegt. Möglich sind verschiedene Arten der Beschleunigung (ebd.):
- Rückenlage des Oberkörpers
- Verwringung des Oberkörpers zum Unterkörper
- Vorbeschleunigung durch Angehen, Angleiten oder Andrehen, frontal, seit- oder rückwärts
- Andrehen bzw. Rotation des Körpers in Verbindung mit dem Angehen oder Angleiten
- Abbremsen des Beschleunigungsweges, um eine Übertragung der erzeugten Energie auf den Gegenstand zu ermöglichen
In leichtathletischen Bewegungsexperimenten können die Lernenden diese unterschiedlichen Beschleunigungsmöglichkeiten erproben. Über das körperliche Erleben bei der Bewegungsausführung des Stoßens (wie auch beim Werfen) und an den erzeugten Effekten entstehen für die Lernenden Möglichkeiten eines (auch objektiven) Vergleichs der jeweils erreichten Weiten. So könnte es sich für das Ziel „weit stoßen“ als sinnvoll erweisen, gerade nicht die Rückenstoßtechnik anzuwenden, weil die Oberkörperkraft nicht ausreichend ausgeprägt ist. Auf dieser Reflexionsfolie können die Schüler*innen zu dem begründeten Ergebnis kommen, auf eine tiefe Ausgangslage zu verzichten und/oder eine leichtere Kugel auszuwählen.
8. Tabelle Grundthema Werfen (A3)
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär