Einreichfassung vom 30.09.2024
Eine Zusammenarbeit der Vertreter*innen aus den Fächern:
Biologie: Dr. Marlen Grimm
Chemie: Dr. Sandra Frach und Dr. Barbara Winter
Physik: Dr. Jochen Scheid
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Einleitung
- Modell „Inklusive Lernzugänge für den naturwissenschaftlichen Unterricht“ (ILZNAWI-Modell)
3.1. ILZNAWI-Modell für den Kompetenzbereich Fachwissen
3.2. ZNAWI-Modell für den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung - Stufenmodelle
4.1. NaWi-Stufenmodell für fächerübergreifende basale und elementare Kompetenzen
4.2. NaWi-Stufenmodelle für fächerübergreifende naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen
4.2.1. Stufenmodell „Naturwissenschaftliches Denken als Prinzip der Erkenntnisgewinnung“
4.2.2. Stufenmodell „Experimentieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise“
4.2.3. Stufenmodell „Modellieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise“ - Führerscheine für die Hand der Kinder und Jugendlichen
5.1. „Forschungs-Führerschein“: Naturwissenschaftliches Denken als Prinzip der Erkenntnisgewinnung
5.2. Experimentier-Führerscheine“: Vorgegebene und eigene Experimente
5.2.1. „Experimentier-Führerschein A“: Vorgegebene Experimente aufbauen, durchführen und auswerten als naturwissenschaftliche Arbeitsweise
5.2.2. „Experimentier-Führerschein B“: Experimente selbst entwickeln, durchführen und auswerten als naturwissenschaftliche Arbeitsweise
5.2.3. “Modelle-Führerschein“: Entwickeln von Modellen - Entwürfe für das Lernen am gemeinsamen Gegenstand
- Themen und Interessen der Kinder
7.1. Methoden–Ideen
7.1.1. Brainstorming
7.1.2. „Forscher-Frage der Woche”
7.1.3. Projektarbeit
7.1.4. Freiarbeit und Lernbüroarbeit
7.1.5. Kompetenzraster
7.2. Inhalts-Ideen
7.2.1. Unser Wasser – lebenswichtig, nützlich, wertvoll und geheimnisvoll
7.2.2. Unsere Energieversorgung – Energie als Motor unserer Gesellschaft und Grundlage des Lebens
7.2.3. Unsere Atmosphäre
7.2.4. Unsere Sonne – Lebensspender für die Erde
7.2.5. Plastik – Wertstoff, Werkstoff oder Müll?
7.2.6. Farben – kunstvoll und geheimnisvoll
7.2.7. Kommunikation: Mensch vs. Tiere
7.2.8. Wir sind mobil – schneller, weiter, höher, tiefer
7.3. Experimente-Sammlungen - Kommentierter Überblick über weitere Stufenmodelle
- Literaturverzeichnis

Hinweis: Dieser Bereich wurde von den Autor*innen der drei Fächer Biologie, Chemie und Physik gemeinsam erstellt und soll die fächerverbindenden Elemente der drei naturwissenschaftlichen Fächer abdecken. Die jeweils fachspezifischen Stufenmodelle und Informationen finden Sie in Kürze unter:
• Biologie
• Chemie
• Physik
1. Abkürzungsverzeichnis
- ILZNAWI-Modell = Modell „Inklusive Lernzugänge für den naturwissenschaftlichen Unterricht“
- NaWi = Naturwissenschaft(en)
- ReMi = Reckahner Modelle zur inklusiven Unterrichtsplanung
- SuS = Schülerinnen und Schüler
2. Einleitung
Naturwissenschaftliche Grundbildung
Naturwissenschaften begegnen uns ständig im Alltag – häufig unbewusst. So finden biologische, chemische und physikalische Vorgänge z.B. beim Putzen, Kochen, Essen und Sport statt. Der Umgang mit naturwissenschaftlichen Problemen sowie der gezielte Einsatz von Naturwissenschaften im alltäglichen Handeln oder im Berufsleben erfordert naturwissenschaftliche Bildung als lebenslangen Lernprozess. Dieser kann durch Erlebnisse in der Natur, im Alltag und in Bildungseinrichtungen ablaufen. Als wichtiger Teil der Allgemeinbildung ermöglicht das Wissen über Naturwissenschaften eine aktive Teilnahme an der Kommunikation und Meinungsbildung in unserer Ge-sellschaft (KMK 2004c). „Naturwissenschaftliche Grundbildung ist die Fähigkeit naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, die die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommen Veränderungen betreffen“ (Artelt et al. 2001, S. 60). Sie beinhaltet zudem die „Struktur des Wissens, Methoden der Wissensproduktion und deren kritische Reflexion“ (Steffensky & Wilms 2006, S. 14). „Ziel naturwissenschaftlicher Grundbildung ist es [daher], Phänomene erfahrbar zu machen, die Sprache und Historie der Naturwissenschaften zu verstehen, ihre Ergebnisse zu kommunizieren sowie sich mit ihren spezifischen Methoden der Erkenntnisgewinnung und deren Grenzen auseinanderzusetzen“ (KMK 2004c, S. 6).
Fächerübergreifende Zusammenarbeit
Die drei Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik bilden in den Fachwissenschaften, aber auch im Unterricht, große Schnittmengen. Dies betrifft sowohl inhaltliche Bereiche als auch die naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung, beispielsweise das Experiment oder das Modell. Daher war es naheliegend, sich im Projekt ReMi zusammenzuschließen, auszutauschen und über-schneidende Aspekte zu diskutieren. Für die Durchdringung der Naturwissenschaften sind gemeinsame basale und elementare Kompetenzen notwendig. Nicht umsonst wird im Sachunterricht der Grundschule ein fächerübergreifender Ansatz verfolgt. Daher wurde das basale und elementare Stufenmodell übergreifend für alle drei Naturwissenschaften mit späterer themenspezifischer Ausdifferenzierung für den Primar- und Sekundarbereich entwickelt. Im Entwicklungsprozess der themenspezifischen Stufenmodelle wurde festgestellt, dass sich in den drei Fächern Operatoren und Komplexitätsstufen stark ähneln. Auf Grundlage eines übergreifenden Modells (s. Kapitel 3) wurden entsprechend Vorlagen zur Formulierung von Stufenmodellen im naturwissenschaftlichen Unterricht entwickelt, welche eine Vergleichbarkeit und Vernetzung der Fächer ermöglichen. Somit wird der Lehrkraft die Planung eines fächerübergreifenden Unterrichts, sowie die Diagnose und Umsetzung individueller Fördermaßnahmen in den Fächern Biologie, Chemie und Physik erleichtert.
Bildungsstandards geben Kompetenzbereiche vor
Um die beschriebene naturwissenschaftliche Bildung zu erreichen, wurden von der Kultusministerkonferenz – wie auch für die Hauptfächer – Bildungsstandards für die Fächer Biologie, Chemie und Physik für den Mittleren Schulabschluss festgelegt. Darin enthalten sind für alle drei Naturwissenschaften einheitlich die Kompetenzbereiche Fachwissen, Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Bewertung. Unter dem Bereich des Fachwissens wurden sog. Basiskonzepte berücksichtigt (KMK 2004a, b & c). Diese sollen die Systematisierung und Vernetzung des Fachwissens unterstützen und erleichtern.
Eine Auseinandersetzung mit den Bildungsstandards bei der Erstellung eines Stufenmodells ist nicht nur durch die Verbindlichkeit für die Bundesländer zwingend notwendig, sondern auch für den stufenweisen Aufbau einzelner Kompetenzen für den Mittleren Schulabschluss. Die Vernetzung der drei Naturwissenschaften wird zum einen dadurch sichtbar, dass fächerübergreifende Stufenmodelle entwickelt wurden. Zum anderen wurden die fachspezifischen Stufenmodelle auf fächerverbindende Aspekte geprüft und diese entsprechend untereinander verlinkt, um die Schnittmengen zwischen den Fächern sichtbar zu machen.
Rahmenpläne geben „Essentials“ (Kernthemen) für den Kompetenzbereich „Fachwissen“ vor
Eine ausschließliche Orientierung an den Bildungsstandards ist allerdings nicht ausreichend, da sie in den verschiedenen Lehrplänen der jeweiligen Bundesländer unterschiedlich berücksichtigt werden. Ein Blick in die Lehrpläne zeigt, dass häufig weiterhin der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Fachwissen liegt. Dies ist nicht verwunderlich, da die Bereiche Bewertung, Kommunikation und Erkenntnisgewinnung sinnvollerweise selten isoliert und meist gekoppelt mit fachlichen Inhalten unterrichtet werden. Entsprechend wurden in einer umfangreichen Rahmenplanrecherche Kernthemen herausgearbeitet, anhand derer alle Kompetenzbereiche geschult werden können. Für diese „Essentials“ wurden entsprechende Fachwissen-Stufenmodelle entwickelt.
Besondere Bedeutung des Kompetenzbereichs „Erkenntnisgewinnung“
Der Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung zielt auf die Entwicklung naturwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweisen, welche eine besondere Rolle für die naturwissenschaftliche Grundbildung spielen (Steffensky & Wilms, 2006). Neben einer Berücksichtigung dieses Kompetenzbereiches innerhalb der Fachwissen-Stufenmodelle erschien es daher sinnvoll, zusätzlich eigene Stufenmodelle für diese naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen zu entwickeln.
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Stufenmodelle naturwissenschaftlicher Unterricht
3. Modell „Inklusive Lernzugänge für den naturwissenschaftlichen Unterricht“ (ILZNAWI-Modell)
Um die Stufenmodelle für die naturwissenschaftlichen Fächer systematisch und zu einem gewissen Grad einheitlich entwickeln zu können, wurde zunächst nach einem allgemeingültigen Modell gesucht, welches als gemeinsame Grundlage für die Formulierung der Stufenmodelle dienen kann. Eine umfangreiche Recherche zu verschiedenen Kompetenz-/Komplexitäts(stufen)modellen im allgemein-didaktischen und pädagogisch-psychologischen Bereich (v.a. Piaget et al. (2016), Leontʹev (1973), Lenschow & Klauß (2014), Sasse & Schulzeck (2013), Commons et al. (2014), Leisen (2015)) sowie auch im Bereich der Naturwissenschaftsdidaktik (v.a. Walpuski et al. (2010), Bernholt et al. (2009), Mayer et al. (2008), Kultusministerkonferenz (2013)) ergab viele Anknüpfungspunkte, jedoch schien keines der Modelle gänzlich geeignet, alle für den inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht relevanten Aspekte der Kompetenzentwicklung abzubilden. Aus diesem Grund wurde ein eigenes Modell mit dem Titel „Inklusive Lernzugänge für den naturwissenschaftlichen Unterricht“ (ILZNAWI) entwickelt (Download als PDF: Grimm et al., 2024). Die Bezeichnung „Inklusive Lernzugänge“ soll sowohl die Individualisierung als auch die Kooperation verdeutlichen, die das Lernen auf Grundlage des ILZNAWI-Modells ausmacht. Angelehnt an die Stufen der „dominierenden Tätigkeit“ nach Leontʹev (1973) sowie die „Zone der nächsten Entwicklung“ nach Vygotskij (1964), lassen sich Tätigkeiten und Lernzugänge beschreiben, die allen Lernenden einen individuellen Zugang zum gemeinsamen Gegenstand ermöglichen und die in kooperativen Prozessen zusammengeführt werden können und sollten (Grimm, 2023).
Neben dem Fokus auf die kontinuierliche Entwicklung von Kompetenzen, bietet jede Stufe im ILZNAWI-Modell auch für sich die Möglichkeit, individualisierte Zugänge zum gemeinsamen Lerngegenstand zu schaffen.
Das ILZNAWI-Modell dient(e) als Grundlage für die Entwicklung der fachspezifischen Stufenmodelle in den Fächern Biologie, Chemie und Physik, ebenso wie für die fächerverbindenden basalen und elementaren Stufen sowie für die Stufenmodelle zur Erkenntnisgewinnung.
Das ILZNAWI-Modell wird nachfolgend dargestellt und eignet sich zudem als Vorlage für eine eigenständige Erstellung eigener Stufenmodelle für weitere Unterrichtsthemen, die im Rahmen des ReMi-Projekts nicht ausdifferenziert wurden. Eine theoretische Herleitung der Entwicklung des Modells steht zum Download bereit (Download PDF: Verfahrensdokumentation).
Tabelle 3.1. ILZNAWI-Modell für den Kompetenzbereich Fachwissen

Den Kern des ILZNAWI-Modells bilden die nummerierten Stufen. Die Stufen 1-4 wurden in Anlehnung an allgemeine pädagogisch-psychologische Stufenmodellen v.a. von Lenschow & Klauß (2014), Piaget et al. (2016) und Leontʹev (1973) und formuliert. Ab Stufe 6 dienten naturwissenschaftsdidaktische Stufenmodelle als Orientierung, hier v.a. Walpuski et al. (2010), Bernholt et al. (2009), Mayer et al. (2008) und die Kompetenzstufen des Projekts „ESNaS“ der Kultusministerkonferenz (2013). Stufe 5 stellt eine Übergangsstufe von den allgemeindidaktischen zu den fachdidaktischen Stufen dar. Dadurch legt das Modell insgesamt einen besonderen Fokus auf die Übergänge zwischen den Stufen, die Durchlässigkeit innerhalb der Bildungsbereiche und die auf der jeweiligen Stufe relevanten Aspekte von Sprache.
Links neben den Stufen (blau) wurde eine Zuordnung der Bereiche basal, elementar, primar und sekundär vorgenommen. Diese dient der Orientierung für die Lehrkräfte und der Veranschaulichung von möglichen Überlappungen der drei Bildungsbereiche. Nicht zuletzt soll sie auch die Entwicklung der Stufenmodelle unterstützen, indem sie einen zwingt, immer auch diese Dimension bei der Formulierung der Stufen mitzudenken. Schraffiert sind Felder, die je nach Ausformulierung und Thema der jeweiligen Stufe Übergänge zwischen den Bildungsbereichen darstellen können.
Rechts im Modell (orange) wird veranschaulicht, welche Form von Sprache in den jeweiligen Stufen möglich bzw. besonders relevant ist. Vor allem in Hinblick auf den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ist es wichtig, dass die ersten 4-5 Stufen für alle Lernenden grundsätzlich auch OHNE Verbal- und Schriftsprache erreichbar sein sollten. Letzteres bezieht auch den erweiterten Lesebegriff nach Günthner (1999) mit ein. Natürlich sollten auch diese Stufen trotzdem von Anfang an sprachlich begleitet werden – so dass auch die basalen Stufen für alle Lernenden interessant und relevant sind, denn selbst einfache Sinneswahrnehmungen können auf verschiedenem sprachlichem Niveau (sowohl alltags- als auch fachsprachlich) reflektiert werden und so allen Lernenden intensive Lernerfahrungen bieten. Zudem gibt es ihnen die Möglichkeit, ihre Sprache im Dialog mit den „basal Lernenden“ anzupassen.
Bei diesen Überlegungen ist jedoch zu beachten, dass die Sprache „lediglich“ die jeweilige Art des Denkens repräsentiert: Das fachliche Denken mit starkem Einbezug der Kausalität lässt sich vom alltäglichen Denken abgrenzen, in dem Kausalitäten oft nicht in dem Maß vorhanden sind wie im Fachdenken. Das Nutzen von Fachsprache soll dabei helfen, anderes Vorwissen zu aktivieren, als es durch die Verwendung von Alltagssprache möglich ist. Dabei geht es entsprechend um exakt definiertes Fachwissen sowie Fachkonzepte im Vergleich zu wohlbekanntem, aber eher weniger exaktem Alltagswissen. Das Modell impliziert demnach bei der Verwendung der Bezeichnung „Alltags-“ und „Fach- bzw. Bildungssprache“ die dahinterliegende Aktivierung von Alltags- und Fachwissen.
Je höher die Stufe im ILZNAWI-Modell desto relevanter werden sowohl die Verbal- als auch die Schriftsprache. Da Alltagssprache in der kognitiven Entwicklung der Kinder und Jugendlichen vor Bildungs- bzw. Fachsprache entwickelt wird, ist diese in den ersten 5 Stufen vorherrschend. Auch die Stufen 6a-b sind zum Teil noch mit Alltagssprache und -denken zu bewältigen, wobei ab Stufe 6 insgesamt jedoch ein stärkerer Fokus auf Bildungs- bzw. Fachsprache und den entsprechenden Denkprozessen gelegt wird. Ab Stufe 6c wird die Alltagssprache sowohl im Vokabular als auch in der Syntax zunehmend ausdifferenziert, da das Erklären komplexer Zusammenhänge und die Entwicklung und Prüfung eigener Konzepte stark dem Fachdenken zuzuschreiben sind und eine eindeutige Fachsprache erfordert. Entsprechend nimmt der Anteil an Alltagssprache ab dieser Stufe ab. Je nach Komplexität des Unterrichtsthemas bleibt es – zwar eingeschränkt – aber grundsätzlich möglich, auch bis Stufe 6f noch alltagssprachlich zu arbeiten. Da Alltags- und Fach- bzw. Bildungssprache mit ihren einhergehenden Denkweisen in schulischem Kontext immer parallel existieren, ist auch ein Wechsel bzw. Übergang von einer zur anderen Form möglich bzw. sollte von den Lehrpersonen bei der Unterrichtsplanung stets berücksichtigt werden (Busch, 2017). Hierbei ist im Sinne eines erfolgreichen Schulabschlusses natürlich das Ziel, dass möglichst viele Lernenden fachliches Denkniveau mit entsprechendem Bildungs- bzw. Fachsprach-Niveau erreichen.
Sowohl die Darstellung der Bildungsbereiche also auch die der Sprache sollen lediglich als Orientierung bei der Entwicklung der themenspezifischen Stufenmodelle dienen und können je nach Lerngruppe und Thema im vorgegebenen Rahmen individuell variiert werden.
Für die Entwicklung von Stufenmodellen für den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung wurde das ILZNAWI-Modell etwas verändert und wird nachfolgend dargestellt. Außerdem wurden weitere Versionen des Modells erstellt, die einen schnellen Überblick über die Stufen erlauben (Kurzversionen zum Download als PDF) bzw. konkrete Vorlagen und Formulierungshilfen für die Stufenmodelle bieten (Vorlagen zum Download als PDF).
Tabelle 3.2. ILZNAWI-Modell für den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung

4. Stufenmodelle
4.1. NaWi-Stufenmodell für fächerübergreifende basale und elementare Kompetenzen
Das Lernen über Naturwissenschaften umfasst nicht nur das Lernen über Themen und Methoden der naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen wie Biologie, Chemie und Physik. Auf einer ganz basalen Ebene umfasst es zunächst das Lernen über mich und meine Umwelt bzw. weiterführend die Menschen, die Gesellschaft und die Natur sowie über das Miteinander dieser Komponenten und die wechselseitige Beeinflussung derer untereinander. Diese Bedeutung einer naturwissenschaftlichen Grundbildung wird bereits deutlich, wenn man auch die Bildungspläne für die Kindertagesbetreuung der einzelnen Bundesländer betrachtet (s. Literaturverzeichnis).
Als einzelnes Individuum „über Naturwissenschaften“ zu lernen, bezieht hiernach die Schulung der Wahrnehmung mit allen Sinnen, das Training des Bewegungsapparats sowie soziale Interaktionen, inklusive der Kommunikation, mit ein. An den folgenden drei markanten Beispielen kann veranschaulicht werden, wie in den Naturwissenschaften gelernt wird und welche basalen sowie elementaren Kompetenzbereiche für dieses Lernen von besonderer Relevanz sind.
- Ein naturwissenschaftliches Phänomen wird beobachtet, hinterfragt und es wird versucht eine Erklärung hierfür zu finden (Schmidkunz & Lindemann, 2003).
Grundlegend hierfür ist, dass das naturwissenschaftliche Phänomen zunächst wahrgenommen wird. Um es wahrzunehmen, müssen wiederum die eigenen Sinne trainiert sein, um die Informationen aufzunehmen und kognitiv zu verarbeiten (Textor, 2005, 2010; Trexler-Walde, Luong & Bassara-Stachowiak, 2005). Ohne die Wahrnehmung des Phänomens kann es nicht hinterfragt werden. Weiterhin kann kein Staunen über das Phänomen entstehen, sodass kein unmittelbares Interesse dafür geweckt werden kann (Krapp, 1999, 2001, 2002). Das empfundene Interesse an etwas ist zudem eine wesentliche Komponente für die intrinsische Motivation sich mit etwas näher beschäftigen zu wollen. Entsprechend ist es bedeutend vielseitige Kompetenzen im Bereich der Wahrnehmung zu erwerben. - Ein naturwissenschaftliches Phänomen wird durch Experimente erkundet bzw. erforscht (Schmidkunz & Lindemann, 2003).
Bereits Kleinkinder lernen im Rahmen ihrer Übungs- und Funktionsspiele (Textor, 2005, 2010; Trexler-Walde, Luong & Bassara-Stachowiak, 2005) ihre Umwelt kennen und beobachten dabei naturwissenschaftliche Phänomene: Beispielsweise fallen in diesen Spielen verwendete Gegenstände i.d.R. nach unten, wenn man sie los lässt bzw. weg wirft oder sie verändern vielleicht ihre Form bzw. geben Töne von sich, wenn man sie zerreißt oder fest klopft. Erneutes Staunen und weiterführendes Ausprobieren bzw. anfängliches gezieltes Experimentieren kann dann durch das Herbeiführen kognitiver Konflikte ausgelöst werden, wie z. B. einen mit Helium gefüllten Ballon, der beim Loslassen und Werfen nicht nach unten fällt, sondern nach oben steigt. Grundlegend für diese zufälligen unkonkret-anschaulichen und konkret-gegenständlichen Miniexperimente sind basale und elementare motorische Kompetenzen, wie z. B. das gezielte Ergreifen, Loslassen und Bewegen von Gegenständen. Hieraus lässt sich ableiten, dass der Bereich der Motorik ein weiterer zentraler Kompetenzbereich für das Lernen in den Naturwissenschaften darstellt. - Ein naturwissenschaftliches Phänomen wird gemeinsam beobachtet oder durch Experiment erkundet bzw. erforscht (Schmidkunz & Lindemann, 2003).
Bereits Kleinkinder zeigen oft sehr deutlich das Bedürfnis der Kommunikation über das Entdeckte oder den Austausch beim gemeinsamen Experimentieren. Dies gelingt, wenn basale Kompetenzen der sozialen Interaktion und Kommunikation erworben wurden. Beide Kommunikationspartner müssen einerseits einander in ihren Äußerungen verstehen und andererseits auf die Bedürfnisse, Ideen und Wünsche des anderen beim Experimentieren bzw. Beobachten eingehen. Dies ist auch für Lernende mit Förderschwerpunkt geistige und/oder körperlich-motorische Entwicklung von besonderer Bedeutung. Es müssen grundlegende Kenntnisse über vorsprachliche Ausdrucksmittel, wie Gestik, Mimik und Laute erworben werden. Methodisch sind hierfür Mittel zur Unterstützten Kommunikation (Abbildungen, Gebärden, Sprachausgabegeräte (Talker) und deren Nutzung durch vorbildhaftes Handeln (Modelling) von Bedeutung.
Mit Blick auf die Umwelt bedeutet dies, dass eine Grundlage für die Interaktion mit Tieren, einen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen sowie allgemein mit der Natur und den natürlichen Ressourcen geschaffen wird. Daraus lässt sich ein dritter zentraler Kompetenzbereich herleiten: Er umfasst basale und elementare Kompetenzen der sozialen Interaktion, inklusive der Kommunikation.
Der Fokus bei den allgemeinen basalen und allgemeinen elementaren Kompetenzen wird daher auf die folgenden drei Bereiche gelegt:
- Wahrnehmung / Sensorik
- Bewegung / Motorik
- Interaktion und Kommunikation
Die Motivation zur Formulierung eines allgemeinen Stufenmodells zu basalen und elementaren Kompetenzen in den Naturwissenschaften liegt darin, diesen Bereich der naturwissenschaftlichen Grundbildung im Stufenmodell mit zu berücksichtigen. Hierbei werden Kompetenzen erworben, die für das erfolgreiche Lernen in allen drei naturwissenschaftlichen Fächern sowie dem fächerintegrierten Fach Naturwissenschaften von Bedeutung sind und im Kontext eines inklusiven Unterrichts daher berücksichtigt werden müssen.
Das Stufenmodell zu basalen und elementaren Kompetenzen in den Naturwissenschaften soll demnach wesentliche Kompetenzen aufbauen, welche die Grundlage für das Lernen in den naturwissenschaftlichen Fächern ab dem Sekundarbereich darstellen. Damit wird auch ein Orientierungsrahmen für Lehrkräfte in inklusiven Lerngruppen geschaffen, um auf der Basis einer gezielten Diagnose individuelle Förderangebote machen zu können. Dieser Orientierungsrahmen ist in
- allgemeine basale und
- allgemein elementare Kompetenzen und
themenspezifische basale und - themenspezifische elementare Kompetenzen
aufgegliedert.
Die allgemeinen Kompetenzen wurden anhand der folgenden Modelle und Lehrpläne abgeleitet:
- 〈 Entwicklungsstufenmodell nach Piaget (Textor, 2005, 2010; Trexler-Walde, Luong & Bassara-Stachowiak, 2005)
- 〈 Stufenmodell zu den basalen Stufen des Lernens (Hehn-Oldiges & Geiling, 2022)
- 〈 Lehrpläne der Primarstufe zum Sachunterricht bzw. Heimat- und Sachkunde
- 〈 Exemplarische Lehrpläne zu Naturwissenschaften in den Bildungsgang Förderschwerpunkt Lernen und geistige Entwicklung
Insgesamt besteht bei den aufgeführten Kompetenzen jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit, da ausschließlich jene Kompetenzen aufgeführt werden, die aus Sicht der Autorinnen als grundlegend gesehen werden, um Arbeitstechniken in den Naturwissenschaften zu erlernen und über bewusste Sinneswahrnehmungen Zugang zu naturwissenschaftlichen Phänomenen erlangen zu können. Ausgehend hiervon können die Phänomene näher hinterfragt, untersucht und Zusammenhänge gefunden werden. Zudem erscheint das Kriterium der Vollständigkeit vor dem Hintergrund der heterogenen individuellen Bedarfe und der daraus resultierenden Vielschichtigkeit und Komplexität der individuellen Förderplanung als nicht erreichbar. Erste Anhaltspunkte hierfür kann bspw. das Buch „Kinder beobachten und fördern“ von Viktor Ledl (2003) liefern. Sollte jedoch auf eine konkrete ganzheitliche Förderplanung abgezielt werden, ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen sonderpädagogischer Lehrkraft und Regellehrkraft sowie Klassen- und Fachlehrkräften aus Sicht der Autorinnen ratsam. Auch hierfür kann das Stufenmodell für basale und elementare Kompetenzen in den Naturwissenschaften einen Orientierungsrahmen liefern.
Im Stufenmodell werden, entsprechend der REMI-Konzeption, die Zugänge basal, elementar, primar und sekundar unterschieden. Diese werden nach dem ILZNAWI-Modell weiter ausdifferenziert, sodass sich die Stufung der Kompetenzen nach den entsprechenden Definitionen der Stufen eins bis sechs richtet (Grimm, 2021). Insbesondere ab Stufe 4 werden die Kompetenzen in den zu Beginn hergeleiteten drei Kompetenzbereichen i) Sensorik, ii) Motorik und iii) Interaktion / Kommunikation ausdifferenziert werden. Die Ausdifferenzierung der Kompetenzen in diesen drei Bereichen kann innerhalb einer ILZNAWI-Stufe in individueller Reihenfolge erfolgen. Das folgende Beispiel der Erwachsenensprache soll dies veranschaulichen:
4.1 Die Schülerinnen und Schüler unterscheiden zwischen Objekt (Situation, Gegenstand, Person) und mentaler Repräsentation desselben, was sich in sogenannten „Als-Ob-Spielen“ zeigt.
4.2 Die Schülerinnen und Schüler ahmen Handlungsabläufe nach, benutzen bekannte Gegenstände zielgerichtet für einen bestimmten Zweck beim Ausprobieren und bei ersten einfachen Experimenten.
Beide Kompetenzen sind nach dem ILZNAWI-Modell Stufe 4 zuzuordnen. Um die Kompetenz 4.2 zu erreichen ist es aber nicht notwendig alle Teilkompetenzen der „Ich-kann“-Formulierung von 4.1 erworben zu haben. Wie dieses Beispiel zeigt, wurden die gestuften Kompetenzen in der Erwachsenensprache nummeriert. Hiermit wird ermöglicht, dass Querverbindungen zu den thematischen basalen / elementaren Kompetenzen der Naturwissenschaften und der Stufenmodelle in den Fächern Biologie, Chemie sowie Physik transparent dargestellt werden.
Tabelle 4.1. Stufenmodell I: Allgemeine basale und allgemeine elementare Kompetenzen in den Naturwissenschaften
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär
4.2. NaWi-Stufenmodelle für fächerübergreifende naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen
Wie bereits in der allgemeinen Einleitung beschrieben, erschien es den Autor*innen aufgrund der besonderen Bedeutung der Erkenntnisgewinnung für die naturwissenschaftliche Grundbildung notwendig und sinnvoll, separate Stufenmodelle für diesen Kompetenzbereich zu entwickeln. Diese sind für alle drei naturwissenschaftlichen Fächer gleichermaßen bedeutsam.
4.2.1. Stufenmodell „Naturwissenschaftliches Denken als Prinzip der Erkenntnisgewinnung“
Bevor die Stufenmodelle für konkrete naturwissenschaftliche Arbeitsweisen vorgestellt werden, soll zunächst das naturwissenschaftliche Denken als ein zentrales Prinzip der Erkenntnisgewinnung betrachtet werden. Dabei geht es um das Einüben einer wissenschaftlichen Denkweise, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, ihre Umwelt kritisch zu betrachten, zu hinterfragen und systematisch zu erforschen. Naturwissenschaftliches Denken umfasst dabei Fähigkeiten wie das Stellen von Fragen, die Durchführung von Beobachtungen und Experimenten, das Sammeln und Auswerten von Daten sowie die Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen (Labudde & Metzger, 2019). Diese Fähigkeiten sind nicht nur grundlegend für das Verständnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge, sondern auch für das lebenslange Lernen und die Teilhabe an gesellschaftlichen Diskursen (Rost et al., 2004).
Bereits im frühen Kindesalter zeigen Kinder eine natürliche Neugierde gegenüber ihrer Umwelt und stellen Fragen an die Natur – ein Grundstein naturwissenschaftlichen Denkens. Kinder beobachten, experimentieren und möchten Zusammenhänge verstehen, indem sie wiederholt Fragen wie „Warum ist der Himmel blau?“ oder „Wieso sinkt ein Stein, aber ein Blatt schwimmt?“ stellen. Diese frühe Art des Fragens und Erkundens ist ein Ausdruck des angeborenen Forscherdrangs, den es im naturwissenschaftlichen Unterricht zu fördern und zu vertiefen gilt. Naturwissenschaftliche Bildung sollte daher an diese natürliche Neugier anknüpfen und sie gezielt in systematisches Denken und methodisches Vorgehen überführen. So kann die angeborene Neugier in eine strukturierte Herangehensweise überführt werden, die für wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung essenziell ist (Gopnik et al., 2001).
Auch in inklusiven Unterrichtssettings ist die gezielte Förderung dieses Denkens wichtig, da Lernende mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen am naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess teilhaben sollen. Das nachfolgende Stufenmodell versteht naturwissenschaftliches Denken als kontinuierlichen Entwicklungsprozess, der in verschiedenen Dimensionen und in unterschiedlichen Kontexten geübt und stabilisiert werden muss. Durch die Etablierung gestufter Kompetenzen – von der sinnlichen Wahrnehmung naturwissenschaftlicher Phänomene über die Entwicklung einer fragenden Grundhaltung bis hin zur Planung und Durchführung eigener Experimente – können Lernende systematisch und schrittweise an wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen herangeführt werden.
Tabelle 4.2.1. Stufenmodell II: Naturwissenschaftliches Denken als Prinzip der Erkenntnisgewinnung
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär
4.2.2. Stufenmodell „Experimentieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise“
Experimentieren gilt als „Königsdisziplin“ der naturwissenschaftlich Erkenntnisgewinnung (Killermann et al., 2016) und wird auch im inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht als unerlässlich für die Arbeit am gemeinsamen Gegenstand betrachtet (Fischer, 2010; Zentel & Michaelys, 2015).
Ausgehend von der terminologischen Unterscheidung der Begriffe „Versuch“ und „Experiment“ wird das Experimentieren als Beobachtung eines dynamischen Vorgangs unter künstlich hergestellten Umständen verstanden, wobei ein Faktor isoliert und variiert wird (Killermann et al., 2016). Während im v.a. im Biologieunterricht überwiegend „Versuche“ ohne Variation der Versuchsbedingungen und ohne Kontrollversuch durchgeführt werden, ist es für die Entwicklung der Experimentierkompetenz allerdings von entscheidender Bedeutung, dass die Lernenden die Variablenkontrolle als wesentliches Kennzeichen eines Experiments verstehen und einsetzen können.
Fachdidaktisch wird hauptsächlich zwischen bestätigenden und entdeckenden Experimenten unterschieden (Eschenhagen et al., 2003). Erstere beziehen sich auf die Durchführung und Auswertung vorgegebener Experimente, letztere umfassen ein hypothesengeleitetes, forschend-entwickelndes Vorgehen, bei dem die Lernenden alle Schritte eines vollständigen Forschungsexperiments durchlaufen, angefangen bei der Beschreibung eines (irritierenden) Phänomens bis zur Auswertung der im selbstentwickelten Experiment erhobenen Daten.
Bei der Entwicklung von Experimentierkompetenz in heterogenen Lerngruppen ist es notwendig, Möglichkeiten zu schaffen, die alle Lernenden (sicher!) am Prozess des Experimentierens teilhaben lassen und dennoch eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand ermöglichen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde im Rahmen der Arbeit des ReMi-NaWi-Teams ein Stufenmodell sowie zwei Führerscheine zum Experimentieren (Download als Excel-Dateien) entwickelt.
Tabelle 4.2.2. Stufenmodell III: Experimentieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär
4.2.3. Stufenmodell „Modellieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise“
Modelle spielen in den Naturwissenschaften eine entscheidende Rolle. Sie helfen Inhalte, Vorgänge und Phänomene zu veranschaulichen und sie damit zu durchdringen. In Anlehnung an Grünkorn, Lotz und Terzer (2014), Upmeier zu Belzen und Krüger (2010) sowie Grimm (2014) werden verschiedene Teilkompetenzen bezüglich der Modellkompetenz in den Naturwissenschaften unterschieden:
- • Eigenschaften von Modellen
- • Alternativen von Modellen,
- • Zweck von Modellen,
- • Testen von Modellen,
- • Ändern von Modellen
Um den forschend-entdeckenden Aspekt in den Fokus zu rücken, ergänzten die Autor*innen diese Liste außerdem um den Punkt:
- • eigenständiges Entwickeln von Modellen
In den basalen Stufen ist eine Unterscheidung dieser sechs Teilkompetenzen aus Sicht der Autorinnen jedoch noch nicht sinnvoll. Aber ab Stufe 4 des Stufenmodells “Modellieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise” werden diese Teilkompetenzen aufgegriffen und jeweils passend zur Stufe ausformuliert.
In den Naturwissenschaften werden unterschiedliche Arten von Modellen eingesetzt. So wird zwischen gegenständlichen Modellen (z.B. Nachbildung von Organen oder Strukturmodell von Molekülen) und Denkmodellen aber auch Simulationen unterschieden (Kometz et al. 2013). Letztere treten, aus Sicht der Autorinnen, ab Stufe 6 im entwickelten Stufenmodell vermehrt auf bzw. lösen Gegenständliche zum Teil ab. Ein Übergang von konkretem und abstrakterem Modell ermöglicht ein Experiment, welches ebenfalls als Modell wirken kann. Kreislaufmodelle sollten mitberücksichtigt werden, wie beispielsweise der Wasserkreislauf. Er kann in Form eines Experiments auf Stufe 2/3 veranschaulicht werden und ab Stufe 6 am Computer simuliert werden. Die unterschiedlichen Modelle sollte die Lehrkraft je nach Fach bzw. Thema bei der Umsetzung im Unterricht berücksichtigen.
Tabelle 4.2.3: Stufenmodell IV: Modellieren als naturwissenschaftliche Arbeitsweise
Abkürzungen Tabellen: b = basal | e = elementar | p = primär | s = sekundär
5. „Führerscheine“ für die Hand der Kinder und Jugendlichen
Bei der Entwicklung der Stufenmodelle für die naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen ergab sich ein Problem: Die entsprechenden Kompetenzen hierfür lassen sich zwar grundsätzlich über die im ILZNAWI-Modell für den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung genannten Stufen abbilden, werden aber im Gegensatz zur Fachkompetenz zunächst eher nach einer Art Schritt-für-Schritt-Anleitung entwickelt. Die Schülerinnen und Schüler lernen beispielsweise zuerst, wie man naturwissenschaftliche Fragen formuliert, anschließend, wie man Hypothesen dazu aufstellt und später, wie man entsprechende Untersuchungen plant und durchführt, um diese Hypothesen zu überprüfen und die Fragestellung zu beantworten. Diese Schritte können zwar durchaus in inhaltlich aufeinander aufbauenden Stufen abgebildet werden, eine höhere Stufe ist hierbei jedoch nicht zwangsläufig kognitiv anspruchsvoller als die vorangegangene. Eine ausschließliche Orientierung an den entstandenen Stufenmodellen ist aus Sicht der Autorinnen entsprechend nicht ausreichend, um die Kompetenzentwicklung im Bereich Erkenntnisgewinnung vollständig abzubilden. Aus diesem Grund wurden zusätzlich zu den Erkenntnisgewinnungs-Stufenmodellen sogenannte „Arbeitsweisen-Führerscheine“ erstellt. In den jeweiligen Stufenmodellen wird auf die Stufenmodelle per Link verwiesen. Der Begriff „Führerschein“ soll die beschriebene schrittweise Aneignung von überwiegend praktischen Fertigkeiten symbolisieren. Wie beim Auto-Führerschein die Bedienung des Autos und die Beachtung der Verkehrsregeln gelernt werden müssen, wird im naturwissenschaftlichen Unterricht zunächst einmal der allgemeine Ablauf des Experimentierens, die Bedienung des Mikroskops etc. sowie die jeweiligen Sicherheitsregeln erlernt, bevor diese Fertigkeiten zur Erkenntnisgewinnung im Unterricht (bzw. analog zur motorisierten Fortbewegung im Straßenverkehr) eingesetzt werden können. Um keinen inflationären Einsatz dieser Führerscheine im Unterricht zu erzeugen, werden diese vorrangig für Arbeitsweisen entwickelt, bei denen bei unsachgemäßer Durchführung gesundheitliche Risiken oder andere Gefahren bestehen (z. B. dass Arbeitsmittel kaputt gehen).
Ein weiterer Grund für die separate Entwicklung der „Führerscheine“ ist, dass es so auch Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarfen im kognitiven Bereich möglich ist, diese „Führerscheine“ zu durchlaufen und so z.B. Expertinnen für die Herstellung mikroskopischer Präparate zu werden, ohne zwangsläufig die großen Zusammenhänge im Prozess der Erkenntnisgewinnung verstehen zu müssen. Durch diese schematisch erworbenen Fähigkeiten und Handlungen können sie ebenfalls einen wertvollen Beitrag zum kollektiven Lernen leisten.
Die „Arbeitsweisen-Führerscheine“ haben optisch den gleichen Aufbau wie die Stufenmodelle und werden entsprechend in Erwachsenen- und Kindersprache formuliert sowie mit pädagogischen Angeboten versehen. Die Stufen selbst orientieren sich jedoch nicht an den nummerierten Stufen des ILZNAWI-Modells, sondern sind einfach als nacheinander zu durchlaufende Schritte zu verstehen. Um diesen Unterschied zu verdeutlichen, wurde die Reihenfolge der Schritte durch Buchstaben statt durch Zahlen gekennzeichnet.
So wurde zu verschiedenen Denk- bzw. Arbeitsweisen sowohl ein Stufenmodell als auch ein „Führerschein“ entwickelt.
5.1. „Forschungs-Führerschein“: Naturwissenschaftliches Denken als Prinzip der Erkenntnisgewinnung
Das Stufenmodell zum Naturwissenschaftlichen Denken bildet die verschiedenen Lernzugänge sowie Stufen der Komplexität des naturwissenschaftlichen Denkens ab. Der nachfolgende Führerschein stellt wiederum die einzelnen Schritte naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung dar, die nacheinander durchlaufen werden müssen, um den gesamten Prozess der Erkenntnisgewinnung zu erlernen.
Schritt in | Erwachsenensprache Schritt in Kindersprache | Lernbausteine | |
---|---|---|---|
A | Die SuS entwickeln geeignete Fragestellungen zur Untersuchung naturwissenschaftlicher Phänomene. | Ich kann zu Phänomenen in der Natur Fragen stellen, die mich interessieren. | Sammeln und Besprechen von Fragestellungen der SuS: Welcher naturwissenschaftliche Sachverhalt interessiert uns? Warum? Was müssen wir tun, um diese Frage zu beantworten? |
B | Die SuS entwickeln überprüfbare Hypothesen zu ausgewählten Fragestellungen. | Ich kann zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen Hypothesen entwickeln, die sich mit (geeigneten Methoden) untersuchen lassen. | Sammeln und Besprechen von Hypothesen: Welche Erklärungsmöglichkeiten könnte es noch geben? Lässt sich die jeweilige Hypothese überprüfen? Wenn ja, wie? Wenn nicht, wie müsste man sie umformulieren? Übersicht über naturwissenschaftliche Arbeitsweisen |
C | C Die SuS entwickeln Untersuchungsplänen zur Überprüfung ausgewählter Hypothesen. | Ich kann zur Überprüfung meiner Hypothesen eine geeignete Untersuchung planen und passende naturwissenschaftliche Arbeitsweisen auswählen. | Allgemeingültige Anleitung zur Planung, Durchführung, Dokumentation und Auswertung von Untersuchungen; Rückgriff auf Fähigkeiten aus Arbeitsweisen-„Führerscheinen“ |
D | Die SuS führen Untersuchungen zur Überprüfung der Hypothesen mittels praktischer naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen durch. | Ich kann geplante Untersuchungen durchführen und dokumentieren. Dabei wende ich geeignete naturwissenschaftlichen Arbeitsweisen sachgerecht an. | Allgemeingültige Anleitung zur Durchführung, Dokumentation und Auswertung von Untersuchungen; Rückgriff auf Fähigkeiten aus Arbeitsweisen-„Führerscheinen“ |
E | Die SuS werten von Untersuchungen aus, ziehen Rückschlüsse zu den Hypothesen und formulieren weiterführende Fragestellungen. | Ich kann meine Untersuchungsergebnisse zielgerichtet auswerten und meine Hypothesen und Fragestellungen beantworten. Ich kann neue Fragen stellen, die sich aus meinen Erkenntnissen ergeben. | Besprechung verschiedener Beispiele guter und verbesserungswürdiger Untersuchungen, Erarbeitung von Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeit |
F | Die SuS optimieren die Planung, Durchführung und Auswertung von Untersuchungen entsprechend Kriterien wissenschaftlicher Güte | Ich kann mögliche Fehlerquellen meiner Untersuchungen erkennen und ggf. optimieren. | Anwendung der zuvor erarbeiteten Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeit auf eigene und fremde Untersuchungen und Besprechung von Optimierungsmöglichkeiten |
Version für die Lernenden:
Schritte des naturwissenschaftlichen Denkens und Arbeitens | Das kann ich mit Hilfe | Das kann ich allein | |
---|---|---|---|
A | Ich kann zu Phänomenen in der Natur Fragen stellen, die mich interessieren. | ||
B | Ich kann zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen Hypothesen entwickeln, die sich mit (geeigneten Methoden) untersuchen lassen. | ||
C | Ich kann zur Überprüfung meiner Hypothesen eine geeignete Untersuchung planen und passende naturwissenschaftliche Arbeitsweisen auswählen. | ||
D | Ich kann geplante Untersuchungen durchführen und dokumentieren. Dabei wende ich geeignete naturwissenschaftlichen Arbeitsweisen sachgerecht an. | ||
E | E Ich kann meine Untersuchungsergebnisse zielgerichtet auswerten und meine Hypothesen und Fragestellungen beantworten. Ich kann neue Fragen stellen, die sich aus meinen Erkenntnissen ergeben. | ||
F | Ich kann mögliche Fehlerquellen meiner Untersuchungen erkennen und ggf. optimieren. |
5.2. Experimentier-Führerscheine“: Vorgegebene und eigene Experimente
Das Stufenmodell zum Experimentieren bildet die verschiedenen Lernzugänge sowie Stufen der Komplexität des Experimentierens ab. Die Führerscheine stellen die einzelnen Schritte des Experimentierens dar, die nacheinander durchlaufen werden müssen, um den gesamten Prozess des Experimentierens zu erlernen. Dies schließt nicht zuletzt auch wichtige Aspekte der Sicherheit der Lernenden ein. Um sowohl den bestätigenden als auch den entdeckenden Experimenten Rechnung zu tragen, wurde ein Führerschein für Aufbau, Durchführung und Auswertung vorgegebener Experimente und ein Führerschein für die Entwicklung, Durchführung und Auswertung eigener Experimente entwickelt.
5.2.1. „Experimentier-Führerschein A“: Vorgegebene Experimente aufbauen, durchführen und auswerten als naturwissenschaftliche Arbeitsweise
Schritt in | Erwachsenensprache Schritt in Kindersprache | Lernbausteine | |
---|---|---|---|
A | Schritt in Erwachsenensprache Die SuS verstehen den Ablauf und die zu untersuchende Fragestellung eines vorgegebenen Experiments, wenn es ihnen schriftlich, mündlich und/oder anschaulich erklärt / gezeigt / demonstriert wird. | Ich kann mithilfe einer Anleitung (schriftlich, bildlich oder von einer/einem Experten/Expertin) den Ablauf eines Experimentes verstehen. Ich verstehe dadurch auch, welche Frage mit dem Experiment untersucht wird. | Anregungen, das Experiment mit eigenen Worten zu erklären, ggf. auch wiederholt, falls (noch) kein Arbeiten nach schriftlicher / bildlicher Anleitung möglich ist. Hilfestellungen geben, dass die SuS selbst die Anleitung kleine Abschnitte unterteilen und überprüfen, ob jedes Bauteil genau so angeordnet ist wie auf der Anleitung. Nachdem es aufgebaut ist, soll genau geschaut werden, wie das Experiment durchgeführt wird. Bilder zur Durchführung in die richtige Reihenfolge bringen lassen. Auf Sicherheitsbestimmungen hinweisen. |
B | Die SuS beschaffen sich alle notwendigen Materialien und bereiten das Experiment entsprechend der Anleitung vor. | Ich kann mir mithilfe einer Anleitung alle Materialien besorgen, die ich für das Experiment brauche. Ich bereite das Experiment mit den Materialien so vor, wie es in der Anleitung steht bzw. wie es mir gezeigt wurde. | Ermuntern, auf einem vorgegebenen Blatt zu zeigen oder anzukreuzen, was bei einem Experiment passiert ist. Ermuntern, in einer einfachen Zeichnung festzuhalten, was bei einem Experiment passiert ist. Evtl. als Hilfestellung verschiedene Ausgänge zeichnen, und die SuS ergänzen lassen. Auch wenn SuS nicht alle Materialien oder zu viele Materialien beschafft haben, braucht nicht unbedingt schon korrigierend eingegriffen werden. Im Verlauf des Experimentierens kann den SuS selbst auffallen, dass nicht alles benötigt wird oder dass etwas fehlt. Dies kann zu Wiederholungsschleifen mit Optimierung durch die SuS selbst führen. Analog bei entsprechender Vorbereitung des Experiments. Bei SuS mit geringer ausgeprägten Fähigkeiten hingegen kann durch Hilfe während dieses Schrittes möglicherweise das Kompetenzerleben in den folgenden Schritten erleichtert werden. |
C | Die SuS führen das Experiment entsprechend der Anleitung durch und halten sich dabei an alle Vorgabe und Sicherheitshinweise. | Ich kann das Experiment so durchführen, wie es in der Anleitung steht bzw. wie es mir gezeigt wurde. Ich halte dabei alle Schritte genau ein und achte darauf, dass alles sicher ist. | Anregungen geben, damit SuS beginnen in eigenen Worten zu formulieren. Fehler in den Beschreibungen zulassen. Wenn viele Fehler vorgekommen sind, nach mehrmaliger Durchführung des Experiments nochmal beschreiben lassen, wie das Experiment aufgebaut wird und was gemacht werden soll. Spiele zu Benennung von Geräten (Domino, Trimino, Memory, Bingo). Wenn es viele Abweichungen der Ausführung der Experimentierschritte von der Anleitung gibt, kann man hier Hilfestellung zu den einzelnen Schritten geben: z.B. die erste entscheidende Abweichung in positiver Weise durch ein Feedback in eine zielführende Handlung abwandeln helfen (am besten so vorsichtig, dass das eigene Kompetenzerleben der SuS nicht beeinträchtigt wird) |
D | Die SuS beobachten den Verlauf des Experimentes genau und dokumentieren die Ergebnisse soweit möglich (ggf. auch als Sprachaufnahme oder zeichnerisch). | Ich kann genau beobachten und merke mir, notiere, zeichne oder spreche in ein Aufnahmegerät, was im Experiment passiert ist. | Als Hilfe kann man auf relevante Teile der Beobachtung hinweisen, um den Blick zu schärfen. Hilfestellungen für die Methoden in der Auswertung Verweis auf Frage und Hypothese / Vermutung “Scaffolding“ Arbeitsblatt mit vorbereiteten Kästchen vorgeben, in denen Teile des Experimentes zum Beobachtungszeitpunkt (bzw. auch verschiedenen Zeitpunkten) vorgezeichnet sind. Die Beobachtungen können dann mit geringerem zeichnerischem Anspruch ergänzt werden. |
E | Die SuS werten die Ergebnisse des Experimentes aus und stellen dies in geeigneter Form dar. | Ich kann die Ergebnisse des Experimentes verstehen und auswerten. Dafür nutze ich Hilfsmittel (z.B. Arbeitsblätter) oder denke mir eigene Darstellungsformen (z.B. Tabellen, Diagramme) | Besprechung versch. Beispiele guter und verbesserungswürdiger Untersuchungen, Erarbeitung von Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeit Beurteilung nach vorgegebenen Kriterien und später nach selbstgewählten Kriterien Mögliche Hilfestellungen bei der Darstellung: Arbeitsblatt mit vorgegebener Tabelle / Diagramm / Ankreuzmöglichkeiten o.ä. Dies kann auch schon zeitlich oder kausal mit zu ergänzenden Daten vorausgefüllt sein „Zeitpunkt, vor der entscheidenden Beobachtung “ „Zeitpunkt der entscheidenden Beobachtung“, „Zeitpunkt nach der entscheidenden Beobachtung“. „Die Kugel…“ (zu ergänzen: rollt in eine andere Richtung, nachdem sie an die Wand geprallt ist“. Aber hier bitte keinen Lückentext, sondern nur Starthilfe für Sätze mit dem Thema geben, da es durch Lückentexte zu eng geführt wird und zu wenig Spielraum für eigene Formulierungen bleibt (und dadurch eine ganz andere nicht zielführende Schwierigkeit, gemeistert werden muss) |
F | Die SuS ziehen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen, formulieren Erkenntnisse und beantworten damit die Fragestellung des Experimentes. | Ich kann erklären, was man durch das Experiment lernen kann. Ich kann die Fragestellung des Experimentes mithilfe der Ergebnisse beantworten | Ich kann erklären, was man durch das Experiment lernen kann. Ich kann die Fragestellung des Experimentes mithilfe der Ergebnisse beantworten. Besprechung versch. Beispiele guter und verbesserungswürdiger Untersuchungen, Erarbeitung von Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeit Beurteilung nach vorgegebenen Kriterien und später nach selbstgewählten Kriterien Wenn die Lernenden keine Idee haben, wie dies gemacht werden soll: Ein Beispielexperiment geben und hierbei erzählen lassen, was man daraus lernen kann und die Fragestellung damit beantworten (bzw. selbst erzählen, was man daraus lernen kann. In einem zweiten einfachen Experiment sollen es dann die SuS selbst formulieren üben). Dann sollen die SuS die Fragestellung am Experiment des Führerscheins nennen und beantworten. |
G | Die SuS entwickeln ggf. weiterführende Fragestellungen zum ausgewerteten Experiment (was sie ggf. zu Experimentier-Führerschein B (Eigene Experimente entwickeln) führt) | Ich kann von meinen Erkenntnissen aus dem Experiment neue Fragestellungen ableiten. Ich bin neugierig und habe Lust, selbst eigene Experimente zu entwickeln, durchzuführen und auszuwerten, um meiner Frage nachzugehen. | Als Hilfe kann man genannte Dinge von SuS einzeln aufgreifen und sie fragen, ob man hier etwas geschickter machen könnte. Dies kann auch während des Experimentierens geschehen. Durch praktische Wiederholung und Übung kann sich Manches zunächst ohne Versprachlichung optimieren. Dies kann man dann beschreiben lassen. Als andere Hilfe können die genannten Fragestellungen der Lernenden auf Papierkärtchen in den jeweiligen Gruppen gesammelt werden (externalisiert). Mit etwas zeitlichem Abstand von einigen Minuten bis Stunden können die SuS dann nochmal reflektieren und prüfen, welche Fragestellungen unmittelbar nah am ursprünglichen Experiment sind und welche weiter weg davon sind. |
Version für die Lernenden:
Schritte des naturwissenschaftlichen Denkens und Arbeitens | Das kann ich mit Hilfe | Das kann ich allein | |
---|---|---|---|
A | Ich kann mithilfe einer Anleitung (schriftlich, bildlich oder von einer/einem Experten/Expertin) den Ablauf eines Experimentes verstehen. Ich verstehe dadurch auch, welche Frage mit dem Experiment untersucht wird. | ||
B | Ich kann mir mithilfe einer Anleitung alle Materialien besorgen, die ich für das Experiment brauche. Ich bereite das Experiment mit den Materialien so vor, wie es in der Anleitung steht bzw. wie es mir gezeigt wurde. | ||
C | Ich kann das Experiment so durchführen, wie es in der Anleitung steht bzw. wie es mir gezeigt wurde. Ich halte dabei alle Schritte genau ein und achte darauf, dass alles sicher ist. | ||
D | Ich kann genau beobachten und merke mir, notiere, zeichne oder spreche in ein Aufnahmegerät, was im Experiment passiert ist. | ||
E | Ich kann die Ergebnisse des Experimentes verstehen und auswerten. Dafür nutze ich Hilfsmittel (z.B. Arbeitsblätter) oder denke mir eigene Darstellungsformen (z.B. Tabellen, Diagramme) aus. | ||
F | Ich kann erklären, was man durch das Experiment lernen kann. Ich kann die Fragestellung des Experimentes mithilfe der Ergebnisse beantworten. | ||
G | Ich kann von meinen Erkenntnissen aus dem Experiment neue Fragestellungen ableiten. Ich bin neugierig und habe Lust, selbst eigene Experimente zu entwickeln, durchzuführen und auszuwerten, um meiner Frage nachzugehen. |
5.2.2. „Experimentier-Führerschein B“: Experimente selbst entwickeln, durchführen und auswerten als naturwissenschaftliche Arbeitsweise
Schritt in Erwachsenensprache | Schritt in Kindersprache | Lernbausteine | |
A | Die SuS entwickeln geeignete Fragestellungen zur Untersuchung naturwissenschaftlicher Phänomene. | Ich kann zu Phänomenen in der Natur Fragen stellen, die mich interessieren. | Sammeln und Besprechen von Fragestellungen der SuS: Welcher naturwissenschaftliche Sachverhalt interessiert uns? Warum? Was müssen wir tun, um diese Frage zu beantworten? |
B | Die SuS entwickeln überprüfbare Hypothesen zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen. | Ich kann zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen begründete Vermutungen entwickeln, die sich mit geeigneten Methoden untersuchen lassen. | Sammeln und Besprechen von Hypothesen: Welche Erklärungsmöglichkeiten könnte es noch geben? Lässt sich die jeweilige Hypothese überprüfen? Wenn ja, wie? Wenn nicht, wie müsste man sie umformulieren? Ggf. Recherche hierzu Übersicht über naturwissenschaftliche Arbeitsweisen “Forscher-Frage der Woche”: ein Schüler sammelt im Alltag eine Frage, die gemeinsam oder die Lehrkraft in einer Woche beantwortet werden soll Als ritualisierter Vorgang in den Unterrichtsstunden nach dem Einstieg eine Forscherfrage bzw. die Zielangabe der Stunde formulieren |
C | Die SuS entwickeln geeignete Untersuchungspläne zur Überprüfung der Hypothesen. | Ich kann zur Überprüfung meiner Vermutungen eine geeignete Untersuchung planen und passende naturwissenschaftliche Arbeitsweisen auswählen. | Allgemeingültige Anleitung zur Planung, Durchführung und Auswertung von Untersuchungen; Rückgriff auf Fähigkeiten aus „Forschungs-Führerschein“, Piktogramme zur Unterscheidung der einzelnen Phasen (Planung, Durchführung, Beobachtung, Ergebnis) einführen und anwenden |
D | Die SuS führen Untersuchungen zur Überprüfung der Hypothesen mittels praktischer naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen sachgerecht durch. | Ich kann geplante Untersuchungen durchführen und wende die hierfür nötigen naturwissenschaftlichen Arbeitsweisen sachgerecht an. | Allgemeingültige Anleitung zur Planung, Durchführung und Auswertung von Untersuchungen; Rückgriff auf Fähigkeiten aus „Forschungs-Führerschein“; Beachtung von Sicherheitsaspekten |
E | Die SuS werten Untersuchungen sachgerecht aus und formulieren weiterführender Fragestellungen. | Ich kann meine Untersuchungsergebnisse dokumentieren, zielgerichtet auswerten und passende Rückschlüsse zu meinen Vermutungen und Fragestellungen ziehen. | Besprechung versch. Beispiele guter und verbesserungswürdiger Untersuchungen, Erarbeitung von Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeit (diese können in einem Poster gesammelt und im Klassenzimmer aufgehängt werden) |
F | Die SuS optimieren Planung, Durchführung und Auswertung von Untersuchungen entsprechend Kriterien wissenschaftlicher Güte. | Ich kann die Genauigkeit und evtl. Fehlerquellen meiner Untersuchungen reflektieren und ggf. optimieren. | Anwendung der Kriterien für gute wissenschaftliche Arbeit (in Form einer Checkliste zum Abhaken), Austausch mit dem Partner über jeweilige Vorgehensweisen um diese zu vergleichen |
Version für die Lernenden:
Schritte des Experimentierens (eigene Experimente) | Das kann ich mit Hilfe | Das kann ich allein | |
A | Ich kann zu Phänomenen in der Natur Fragen stellen, die mich interessieren. | ||
B | Ich kann zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen begründete Vermutungen entwickeln, die sich mit geeigneten Methoden untersuchen lassen. | ||
C | Ich kann zur Überprüfung meiner Vermutungen eine geeignete Untersuchung planen und passende naturwissenschaftliche Arbeitsweisen auswählen. | ||
D | Ich kann geplante Untersuchungen durchführen und wende die hierfür nötigen naturwissenschaftlichen Arbeitsweisen sachgerecht an. | ||
E | Ich kann meine Untersuchungsergebnisse dokumentieren, zielgerichtet auswerten und passende Rückschlüsse zu meinen Vermutungen und Fragestellungen ziehen. | ||
F | Ich kann die Genauigkeit und evtl. Fehlerquellen meiner Untersuchungen reflektieren und ggf. optimieren. |
5.2.3. “Modelle-Führerschein“: Entwickeln von Modellen
Im Folgenden wird ergänzend zu dem Stufenmodell zum Modellieren ein Führerschein zur Thematik „Entwickeln von Modellen“ exemplarisch ausgeführt.
Schritt in Erwachsenensprache | Schritt in Kindersprache | Lernbausteine | |
---|---|---|---|
A | Die Lernenden bauen verschiedene Gegenstände mit unterschiedlichen Materialien. Zunächst frei, später zu selbst gewählten oder vorgegebenen naturwissenschaftlichen Themen/Objekten. | Ich kann verschiedene Gegenstände, Tiere, Pflanzen etc. mit Bausteinen, Stöcken, etc. bauen. Ich erkenne, ob Teile fehlen, Formen verändert werden müssen, sodass es möglichst „echt“ aussieht. | Mit verschiedensten Materialien (Kastanien, Stücke, Steine) bauen lassen. Als Hilfestellung können gemeinsam Kriterien erarbeitet werden, wie vorgegangen werden muss bzw. gemeinsam die Nachbauten verbessert werden, sodass sie dem Original immer mehr ähneln. (z.B. Ein Tier hat zwei Augen. Die müssen wir noch ergänzen). |
B | Die Lernenden verbalisieren ihre Vorgehensweise zum Bau eines Modells und können diese nach und nach begründen. Sie schreiben eine Anleitung für ihren Modellbau. | Ich kann meinen Mitschülern*innen erzählen, wie ich mein Modell gebaut habe. Ich kann das mit einem „Weil-Satz“ begründen. Ich kann eine Anleitung „schreiben“, sodass meine Mitschüler*innen dieses Nachbauen können. | Unterschiedliche Sprachbausteine zur Vorgehensweise gemeinsam in einem Plakat erarbeiten. Sprechstarter dazu verwenden, abschließend frei formulieren lassen. „Schreiben“ kann differenziert werden in Fotos, Zeichnen, Comic-Story, Video drehen, Schreiben mit Satzstartern bis hin zu völlig freien Formulierungen |
C | Die Lernenden können nach ersten Kriterien und Vorgaben ein Modell mit Hilfestellungen entwickeln. Sie können überprüfen, ob ihr Modell oder das von Anderen diese Kriterien erfüllt. Die Lernenden passen ggfs. ihr Modell an. | Ich kann ein Modell (mit Hilfe) bauen, dass einer Vorgabe meiner Lehrkraft entspricht. Ich kann überprüfen, dass mein Modell diese Vorgabe erfüllt. Falls nicht, verbessere ich mein Modell. | Beispiel: Baue ein Wirbelsäulenmodell. Es soll möglichst beweglich und stabil sein. Hilfestellungen können sein: Vorgabe des Materials (Korkplatten und Schwämme), Beispiel-Modelle nachbauen lassen und überprüfen, ob sie die beiden Kriterien der Wirbelsäule erfüllen, leitende Fragestellungen oder Bilder zum Aufbau in die richtige Reihenfolge bringen |
D | Die Lernenden können zu einer vorgegebenen Hypothese ein Modell mit Hilfestellungen bauen und mit eigenen Worten ihr Vorgehen beschreiben. | Ich kann ein Modell mit Hilfe zu einer vorgegebenen abstrakteren Hypothese bauen. Ich kann anderen Mitschülern*innen erklären, wie ich vorgegangen bin. | Beispiele: – Baue ein Modell zu der Aussage: Wasserläufer können über das Wasser „laufen“. – Baue einen Wasserkreislauf. – Entwickle ein Experiment zur Bergmannsche Regel (https://www.didaktik.physik.uni-muenchen.de/materialien/bionik/videos/bergmannsche_regel2/index.html stand 23.11.2021) Hierbei sollen Hilfen bereitgestellt werden in Form von gestuften Lernhilfen. |
E | Die Lernenden können selbstständig zu einer vorgegebenen Hypothese ein Modell entwickeln und mit Fachsprache begründen und beschreiben. | Ich kann ein Modell selbstständig zu einer vorgegebenen Hypothese bauen. Ich kann meine Bauschritte begründen und benutze dazu Fachbegriffe. | Beispiele wie in Zeile “D” Auf dieser Stufe können Modelle gezeichnet aber auch Simulationen entwickelt werden. |
F | Die Lernenden können zu selbst entwickelten Hypothesen eigene Modelle bauen, ihre Vorgehensweise reflektieren und ihre Modelle entsprechend verbessern. | Ich kann zu einem Problem oder einer Fragestellung, die mich interessiert, ein eigenes Modell bauen. Ich kann einschätzen, ob mein Modell „gut“ ist und mein Problem „richtig“ darstellt. Ich kann mein Modell verbessern. | Kriterien-Katalog zu einem „guten“ und „richtigen“ Modell gemeinsam erarbeiten und eine Checkliste erstellen, mit der das Modell überprüft werden kann. Themenbereiche können völlig frei gewählt werden oder passend zum Unterrichtsthema. |
Version für die Lernenden:
Schritte des Modellierens (Entwickeln von Modellen) | Das kann ich mit Hilfe | Das kann ich allein | |
---|---|---|---|
A | Ich kann verschiedene Gegenstände, Tiere, Pflanzen etc. mit Bausteinen, Stöcken, etc. bauen. Ich erkenne, ob Teile fehlen, Formen verändert werden müssen, sodass es möglichst „echt“ aussieht. | ||
B | Ich kann meinen Mitschülern*innen erzählen, wie ich mein Modell gebaut habe. Ich kann das mit einem „Weil-Satz“ begründen. Ich kann eine Anleitung „schreiben“, sodass meine Mitschüler*innen dieses nachbauen können. | ||
C | Ich kann ein Modell (mit Hilfe) bauen, dass einer Vorgabe meiner Lehrkraft entspricht. Ich kann überprüfen, dass mein Modell diese Vorgabe erfüllt. Falls nicht, verbessere ich mein Modell. | ||
D | Ich kann ein Modell mit Hilfe zu einer vorgegebenen abstrakteren Hypothese bauen. Ich kann anderen Mitschülern*innen erklären, wie ich vorgegangen bin. | ||
E | Ich kann ein Modell selbstständig zu einer vorgegebenen Hypothese bauen. Ich kann mein Bauschritte begründen und benutze dazu Fachbegriffe. | ||
F | Ich kann zu einem Problem oder einer Fragestellung, die mich interessiert, ein eigenes Modell bauen. Ich kann einschätzen, ob mein Modell „gut“ ist und mein Problem „richtig“ darstellt. Ich kann mein Modell verbessern. |
6. Entwürfe für das Lernen am gemeinsamen Gegenstand
Das den naturwissenschaftlichen Stufenmodellen zugrunde gelegte ILZNAWI-Modell hat das Ziel, “Inklusive LernZugänge” zum gemeinsamen Gegenstand zu eröffnen. Die Autor*innen der drei naturwissenschaftlichen Fächer legen hierzu in einem Buchbeitrag ausführlich dar, wie das Lernen am gemeinsamen Gegenstand im naturwissenschaftlichen Unterricht organisiert werden kann. Sie verstehen dabei die verschiedenen Lernzugänge des ILZNAWI-Modells als Möglichkeit, naturwissenschaftlichen Unterricht zu individualisieren, betonen aber, dass dieser erst durch Kooperation inklusiv werden kann (Grimm et al., 2024 – siehe Download Buchbeitrag ILZNAWI-Modell). Wie genau die beschriebene Kooperation am Gemeinsamen Gegenstand im naturwissenschaftlichen Unterricht umsetzbar ist, wird im Beitrag am Beispiel einer Unterrichtssequenz zur Evolution des Menschen dargestellt. Hierbei werden Möglichkeiten zur Verbindung von Individualisierung und Kooperation aufgezeigt. Weitere Umsetzungsideen aus den Fächern Chemie und Physik zeigen die Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten des ILZNAWI-Modells im inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht.
7. Themen und Interessen der Kinder
Die Stufenmodelle geben klar vor, welche Inhalte im Unterricht behandelt werden sollen. Diese orientieren sich stark an den Lehrplänen der verschiedenen Bundesländer. Ein wichtiger Faktor, naturwissenschaftlichen Unterricht für Kinder interessant und spannend zu gestalten, ist das Einbringen eigener Interessen und Themen beim Lernen am gemeinsamen Gegenstand sowie in der fächerübergreifenden Freiarbeit und Lernbüroarbeit. Hierzu werden nachfolgend methodische und inhaltliche Ideen vorgestellt sowie eine kommentierte Liste verschiedener Experimente-Sammlungen angeführt.
7.1. Methoden–Ideen
7.1.1. Brainstorming
Das Brainstorming eignet sich besonders zu Beginn eines Themas bzw. einer Unterrichtsreihe mit dem Stufenmodell. Beispielweise können beim Lernen am gemeinsamen Gegenstand mit der Vier-Ecken-Methode (https://www.methoden-kartothek.de/index.php?article_id=2&cat=aktionsform&cardid=78, Stand 10.03.2023) das bereits vorhandenes Wissen, sowie Interessen, Erfahrungen etc. zu einem vorgegebenen Thema abgefragt werden. Dies kann mit offenen, aber auch mit gezielten Aufgabenstellungen erreicht werden. Beispielsweise könnte zum Thema Feuer ein Bild einer Flamme an die Tafel gehängt werden. Die Lernenden schreiben auf Wortkarten verschiedenste Assoziationen. Eine etwas geleitetere Variante wären Fachfragen wie „Was brauchst du, damit ein Feuer brennt?” oder „Wie kannst du ein Feuer löschen?” aber auch Interessensfragen wie „Was möchtest du zum Feuer wissen?” der Lernenden. Diese könnte die Lehrkraft auf Postern verteilt im Klassenzimmer schreiben und beantworten lassen.
7.1.2. „Forscher-Frage der Woche”
Damit Kinder mit einem offenen Auge und Ohr ihren Alltag bestreiten, sowie „Warum-Fragen” stellen und diese auch beantworten lernen, eignet sich eine sog. „Forscher-Frage der Woche”. Diese Frage kann entweder völlig frei zu (naturwissenschaftlichen) Phänomenen, Ereignissen oder Beobachtungen gestellt werden. Dies kann aber auch thematisch eingegrenzt werden, z. B. mit der Aufgabenstellung “Finde eine Frage zum Thema “Feuer”.
Bei der Umsetzung im Unterricht gibt es verschiedene Varianten:
Varianten des Sammelns der Forscherfragen:
- Ein Kind soll in einer Woche oder über das Wochenende eine Forscherfrage sammeln
- Es wird eine Forscher-Box aufgestellt, in die die Kinder zu jeder Zeit eine Frage, die sie interessiert, hineinwerfen können. Zu bestimmten Zeitpunkten zieht die Lehrkraft eine Frage, um sie dann zu beantworten (siehe unten)
- Die Lehrkraft sammelt Fragen, die im Laufe des Unterrichts gestellt werden
- Die Lernenden bekommen im Unterricht Zeit, Fragen, die sie interessieren, aufzuschreiben
Varianten der Beantwortung der Forscherfragen:
- Gemeinsames Beantworten der Fragen im Klassenraum durch
- Recherche im Internet
- vorbereitete Materialien der Lehrkraft (Lesetext, Film, Infomaterialien)
- passende Experimente
- mündliche Beantwortung im gemeinsamen Gespräch oder Lehrervortrag
- Individuelle Recherche als Differenzierung für Schnelle
- Eine Station im Wochenplan
- Individuelles Beantworten der Fragen:
- Kurzreferate
- Material, das die Kinder mitbringen
- Experimente, die die Lernenden zu Hause durchführen (und filmen)
Jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile, beide sind aber im Unterricht gut umsetzbar. Sie sind insbesondere in Abhängigkeit des Zeitfaktors, Lehrplandrucks sowie der Klassenzusammensetzung auszuwählen. Die Autor*innen haben mit allen Varianten durchweg positive Erfahrungen gesammelt.
7.1.3. Projektarbeit
Eine weitere Variante für die Berücksichtigung der Interessen der Lernenden kann die Projektarbeit darstellen, die auch in Zusammenarbeit mit anderen Fachdomänen (Fremdsprachen, Technik, Mathematik, Erdkunde, Informatik, Kunst, Musik, Sport und Geschichte) in Projektnachmittagen, Projekttagen oder Projektwochen umgesetzt werden können. Dies ermöglicht sowohl den Lehrenden als auch den Lernenden individuelle Schwerpunkte zu setzen. Die zur Verfügung stehenden Stufenmodelle können ein Hilfsmittel für die angemessene Gestaltung der Lernumgebung darstellen.
7.1.4. Freiarbeit und Lernbüroarbeit
Die methodisch-didaktischen Arbeitsweisen der Freiarbeit und der Lernbüroarbeit bieten Kindern und Jugendlichen Freiräume, um sich individuell oder in kleinen Gruppen mit einem Thema ihrer Wahl auseinanderzusetzen. Dabei können Themen bearbeitet werden, die aus sehr verschiedene Fachdidaktiken kommen. Naturwissenschaftliche Experimente sind allerdings in den Klassenräumen und Lernbüros nur begrenzt möglich. Dennoch können sich Lernende mit selbstgewählten naturwissenschaftlichen Interessengebieten anhand vielfältiger gedruckter und digitaler Materialien befassen und sich Wissen aneignen.
7.1.5. Kompetenzraster
Schließlich bietet sich auch der Einsatz von Kompetenzrastern z.B. im Rahmen von Lernbüros oder Lernwerkstätten an, die Arbeit mit den vorliegenden Stufenmodellen und den Themen und Interessen der Lernenden zu kombinieren. Dies ist möglich, indem die Felder des Kompetenzrasters mit den Essentials der Fächer gefüllt werden. Dazu können diese aus den Stufenmodellen in eine Tabelle mit verschiedenen Themen und Niveaustufen überführt und dabei einzelne Felder freigelassen werden, die die Lernenden mit eigenen Themen und Interessen füllen können. Die Studien-Ergebnisse im Rahmen des Dissertationsprojekts von Grimm (2023) zum Einsatz von Kompetenzrastern im inklusiven Biologieunterricht zeigen, dass diese Möglichkeit vor allem von leistungsstarken Lernenden eingefordert wird.
7.2. Inhalts-Ideen
Im Folgenden werden einige Ideen zu überfachlichen Kontexten vorgestellt, die Teil in einem projektorientierten, fachübergreifenden Arbeiten sein können. Die Stichpunkte unterhalb der Thementitel stellen mögliche Inhalte dar, mit denen das Projekt ausgestaltet werden kann. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal die Orientierung an den Fragen und Interessen der Lernenden einen zentralen Aspekt darstellt. Hierzu passende Experimente können auf verschiedenen Websites gefunden werden. Eine Auswahl geeigneter Quellen findet sich unter 7.3.
7.2.1. Unser Wasser – lebenswichtig, nützlich, wertvoll und geheimnisvoll
- Leben im Süßwasser und Salzwasser
- Anomalie des Wassers und die Bedeutung für das Leben im Teich
- Anthropogene und natürliche Wasserzirkulation
- Vom Abwasser zum Trinkwasser
- Fortbewegung im Wasser und was wir von den Tieren lernen können
7.2.2. Unsere Energieversorgung – Energie als Motor unserer Gesellschaft und Grundlage des Lebens
- Energieformen und Energieumwandlung
- „Sonnenenergie“ und Pflanzen
- Erdöl – gespeicherte „Sonnenenergie“
- Biogasanlagen
- Kohlekraftwerke, Windkraftanlagen, Solaranlagen, Wasserkraft, Gezeitenkraftwerke & Co.
7.2.3. Unsere Atmosphäre
- Tiere in der Luft: Was Wunder des Fliegens
- Abgeschaut: Wie wir von den Tieren fliegen lernen
- Fortbewegung in der Luft vs. Fortbewegung im All
- Wind, Wetter und Wärmeströmung
- Luft unter der Lupe (Masse, Volumen, Zusammensetzung …)
- Atmosphäre der anderen Planeten und außerirdisches Leben
- Methoden für die Beobachtung und Untersuchung unserer Atmosphäre und der Atmosphäre anderer Planeten
- Treibhauseffekt
- Gewitter und Eruptionsgewitter
- Warum ist der Himmel blau?
7.2.4. Unsere Sonne – Lebensspender für die Erde
- Aufbau, Alter und Entwicklung
- Jahreszyklus und Beobachtung der Sonne
- Sonne und Leben auf der Erde
- Licht, Lichtspektrum, Lichtbrechung, Reflexion
- Polarlicht
- Treibhauseffekt
7.2.5. Plastik – Wertstoff, Werkstoff oder Müll?
- Eigenschaften
- Plastik und die Umwelt
- Lebensretter und Helfer in der Medizin
- Biokunststoffe vs. konventionelle Kunststoffe
- Recycling
- Herstellung von Kunststoffen und Biokunststoffen
7.2.6. Farben – kunstvoll und geheimnisvoll
- Farben mischen mit Licht: Disco/Konzerte und Farbdisplay
- Farben herstellen und mischen wie ein Künstler
- Farbspektrum, Spektralfarben, Lichtbrechung und Lichtreflexion
- Der Regenbogen
- Farben sehen: Tiere vs. Menschen, Farbsehschwäche
- Das Auge
- Augen in der Tierwelt
7.2.7. Kommunikation: Mensch vs. Tiere
- Alles rund um die Welle
- Das Ohr
- Ohren in der Tierwelt
- Tiere und Menschen kommunizieren
- Telefon, Radio, Internet
- Datenspeicherung und Datentransport
- Kassetten, DVDs, Disketten, Bluerays, Schallplatten … alles das Gleiche?
- Glasfaser und Halbleiter als Helfer
- Dioden, Transistoren, Sensoren – ohne geht es nicht!
7.2.8. Wir sind mobil – schneller, weiter, höher, tiefer
- Wasser: Tiere vs. Mensch
- Luft: Tiere vs. Mensch
- Land: Tiere vs. Mensch
- Vom Fahrrad über die Dampflock zum Rennwagen und Solarmobil … und wie geht es weiter?
7.3. Experimente-Sammlungen
Nachfolgend werden Links zu Websites bereitgestellt, auf denen bereits eine Vielzahl kindgerecht aufbereiteter Experimentieranleitungen u. ä. abgerufen werden können – sowohl zu den oben genannten Themen, als auch darüber hinaus, d. h. diese Websites können eine bereichernde Quelle für weitere Ideen zu Projekten sein, die aus den Interessen der Kinder und Jugendlichen resultieren. Für eine schnelle Übersicht wurden jeweils Foki, Zielgruppe, Inhalt und besondere Themen herausgearbeitet und tabellarisch dargestellt. Zunächst werden fachübergreifende/fächerverbindende Websites angeführt und darunter – farblich markiert – fachspezifische Websites.
Titel | Fokus | Zielgruppe | Inhalt | Besondere Themen | Link |
---|---|---|---|---|---|
Forschendes Lernen im Sach-unterricht | Forschendes Lernen im Sach-unterricht | Grundschul-lehrer*innen | Theoretische Grundlagen, Praxisbeispiele, didaktische Methoden | Interdisziplinäre Ansätze, Schüleraktivierung, Kompetenzorientierung | https://www.klinkhardt.de/newsite/media/20190307_9783781522923%20Knoerzer.pdf |
Die große Frage – Forschendes Lernen an der Grundschule | Forschendes Lernen in der Grundschule | Lehrer*innen an Grundschulen | Praxisbeispiele, methodische Hinweise, didaktische Materialien | Fragestellungen entwickeln, Lernprozesse begleiten, Reflexion | https://www.friedrich-verlag.de/friedrich-plus/schulleitung/unterrichts-schulentwicklung/die-grosse-frage-9938 |
Experimente in der KITA | Kindge-rechte Experimente für Kitas | Erzieher*innen, Eltern | Einfache Experimente mit Alltagsmaterialien | Naturwissenschaft-liche Phänomene spielerisch entdecken, Förderung von Neugier und Forscherdrang | https://www.prokita-info.de/aktivitaten/experimente/?af=SEM_B2B_KIT_BNG_B2B_Experimente_X-674501029-1271036432574058-79439920423187-o-c&msclkid=48ef98b2ca0012d9e206fc4770ae3372 |
Nela forscht | Über 150 Experimente für Grundschul-kinder | Grundschul-kinder, Lehrkräfte, Eltern | Experimente zu Luft, Wasser, Licht, u.a. | Kindgerecht, einfache Durchführung | https://www.nela-forscht.de/experimentierwelt |
Stiftung Kinder forschen | Experimente für Grundschule und Kindergarten | Grundschul-lehrer*innen, Erzieher*innen, Eltern | Klang-, Geräuschexperi-mente, Magnetismus, Strom | Förderung forschenden Lernens, breite Themenabdeckung | https://www.stiftung-kinder-forschen.de |
Komm, mach MINT | Experimente im MINT-Bereich | Schüler*innen, Lehrer*innen, Wettbewerbe | Experimente sortiert nach Schwierigkeitsgrad und Materialien | Geeignet für Jugend forscht, fachspezifisch | https://www.komm-mach-mint.de |
Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) | Experimente für Klassenstufen 5 und 6 | Schüler*innen, Lehrer*innen | Experimente zu Elektrizität, Wasser, chemische Nachweise | Geeignet für Unterricht und außerschulische Projekte | https://www.desy.de |
Experimente und Projekte im Biologieunterricht | Vielfältige Experimente für Grundschule und Sekundarstufe | Biologie-Lehrer*innen | Themen wie Wasser, Luft, Pflanzen, Körpersinne, Ernährung, Umwelt und Biotechnik | Erprobte Experimente, die auch als Projekte geeignet sind, inkl. Nutzung von Smartphones für Dokumentationen | https://experimente-und-projekte-im-biologieunterricht.de/ |
Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie | Chemieunterricht für verschiedene Schulstufen | Chemielehrer* innen, Schüler*innen | Experimente, Unterrichtsmaterialien, Arbeitsblätter | Anorganische Chemie, organische Chemie, Umweltchemie, Alltagschemie | https://www.chemieunterricht.de/dc2/ |
Prof. Blumes Tipp des Monats | Monatlich aktualisierte Tipps und Experimente für den Chemieunterricht | Lehrer*innen im Chemie-unterricht | Aktuelle Experimente, Unterrichtsanregungen, chemische Phänomene | Experiment des Monats, alltagsnahe Chemieanwendungen, Sicherheitsaspekte | https://www.chemieunterricht.de/dc2/tip/ |
Experimente für pfiffige Forscher FCI | Experimente für Grundschüler | Grundschul-lehrer*innen, Schüler*innen | Chemie-Experimente, leicht durchführbar mit Alltagsmaterialien | Einführung in die Chemie, spielerisches Lernen, Experimentieren im Unterricht | https://www.vci.de/fonds/schulpartnerschaft/unterrichtsmaterialien/unterrichtsmaterial-grundschule-experimente-fuer-pfiffige-forscher.jsp |
Unterrichtsmaterial FCI | Umfassendes Unterrichtsmaterial für den Chemieunterricht | Lehrer*innen in der Sekundarstufe | Experimente, Lehrmodule, Arbeitsblätter | Chemische Grundlagen, Anwendungs-orientierung, Lehrmaterialien für verschiedene Stufen | https://www.vci.de/fonds/schulpartnerschaft/unterrichtsmaterialien/seiten.jsp |
8. Kommentierter Überblick über weitere Stufenmodelle
Die zur Entwicklung des ILZNAWI-Modell herangezogenen Stufenmodelle sind nachfolgend aufgeführt. Die Kurzdarstellung der jeweiligen Stufen sowie die Beschreibung, welche Stufen im Einzelnen in das ILZNAWI-Modell übernommen, verändert und ergänzt wurden, ist in der Download-Datei „Verfahrensdokumentation zum ILZNAWI-Modell“ nachzulesen.
Pädagogisch-psychologische und allgemeindidaktische Stufenmodelle:
- Lenschow, H., & Klauß, T. (2014). Die Aneignungsebenen als Grundlage zur Schülerbeobachtung sowie zur Analyse und Planung von Lernangeboten.
- Leontʹev, A. N. (1973). Probleme der Entwicklung des Psychischen. Volk u. Wissen. http://slubdd.de/katalog?TN_libero_mab2)500056788
- Piaget, J., Fatke, R., & Kober, H. (2016). Meine Theorie der geistigen Entwicklung (4. Auflage). Beltz. http://slubdd.de/katalog?TN_libero_mab216509836
Naturwissenschaftsdidaktischer Stufenmodelle:
- Bernholt, S., Parchmann, I., & Commons, M. L. (2009). Kompetenzmodellierung zwischen Forschung und Unterrichtspraxis. Zeitschrift Für Didaktik Der Naturwissenschaften, 15, 217–243.
- Commons, M. L., Crone-Todd, D., & Chen, S. J. (2014). Using SAFMEDS and direct instruction to teach the model of hierarchical complexity. The Behavior Analyst Today, 14(1–2), 31–45. https://doi.org/10.1037/h0101284
- Leisen, J. (2015). Fachlernen und Sprachlernen! Bringt zusammen, was zusammen gehört! Der Mathematische Und Naturwissenschaftliche Unterricht, 68(3), 132–137.
- Mayer, J., Grube, C., & Möller, A. (2008). Kompetenzmodell naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung. Lehr- Und Lernforschung in Der Biologiedidaktik. Band 3, January, 63–79.
- Sasse, A., & Schulzeck, U. (2013). Differenzierungsmatrizen als Modell der Planung und Reflexion inklusiven Unterrichts – zum Zwischenstand in einem Schulversuch. In Thillm.2013. Gemeinsam leben. Miteinander lernen. (pp. 13–22). www.thillm.de
- Walpuski, M., Kauertz, A., Kampa, N., Fischer, H. E., Mayer, J., Sumfleth, E., & Wellnitz, N. (2010). ESNaS – Evaluation der Standards für die Naturwissenschaften in der Sekundarstufe I. In A. Gehrmann, U. Hericks, & M. Lüders (Eds.), Bildungsstandards und Kompetenzmodelle. Beiträge zu einer aktuellen Diskussion über Schule, Lehrerbildung und Unterricht. (pp. 171–184). Klinkhardt.
9. Literaturverzeichnis
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- Bernholt, S., Parchmann, I., & Commons, M. L. (2009). Kompetenzmodellierung zwischen Forschung und Unterrichtspraxis. Zeitschrift Für Didaktik Der Naturwissenschaften, 15, 217–243.
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- Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (2004b): Bildungsstandards im Fach Biologie für den mittleren Schulabschluss; Jahrgansstufe 10 ( https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Bildungsstandards-Biologie.pdf (Stand 09.02.2021)
- Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (2004c): Bildungsstandards im Fach Chemie für den Mittleren Schulabschluss; Jahrgangsstufe 10 (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Bildungsstandards-Chemie.pdf) (Stand 09.02.2021)
- Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (2004d): Bildungsstandards im Fach Physik für den Mittleren Schulabschluss; Jahrgangsstufe 10 (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Bildungsstandards-Physik-Mittleren-SA.pdf) (Stand 09.02.2021)
- Bundeszentrale für politische Bildung (2021). Fünf-Schritt-Lese-Methode. https://www.bpb.de/lernen/grafstat/grafstat-bundestagswahl-2013/148920/fuenf-schritt-lesemethode (abgerufen 27.11.21)
- Busch, H. B. (2017). Möglichkeiten der Diagnostik und Förderung fachsprachlicher Kompetenzen im Chemieunterricht. Reihe: Beiträge zur Chemiedidaktik. Berlin: Uni-Edition.
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- Gopnik, A., Meltzoff, A., & Kuhl, P. (2001). The Scientist in the Crib: Minds, Brains and How Children Learn. In Journal of Nervous and Mental Disease (Vol. 189).
- Grimm, M. (2014): Genetik beGREIFBAR machen – Entwicklung von Modellkompetenz bei Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 9 am Gymnasium im Fachbereich Genetik. Hausarbeit im Rahmen der 2. Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien
- Grimm, M. (2021). Vortrag auf dem ReMi-März-Kolloquium
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- Grimm, M. (2023). Inklusionsförderlicher Biologieunterricht. Eine Mixed Methods Studie zum Einfluss von Kompetenzrastern auf die Basic Needs Erfüllung von Schülerinnen und Schülern in heterogenen Lerngruppen der Orientierungsstufe. Dissertation Universität Rostock. Rosdok: https://doi.org/10.18453/rosdok_id00004528.
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