ReMi-Tagungs-Newbie – ein Kurzbericht von der 38. Inklusionsforscher_innentagung in Köln

(Marlen Grimm/Bettina Streese)

Im Februar 2025 machte sich ein ReMi-Team auf den Weg nach Köln, um bei der 38. Inklusionsforscher*innentagung im Rahmen eines Symposiums die Reckahner Modelle zur inklusiven Unterrichtsplanung (ReMi) vorzustellen.

Unter dem Tagungsthema „Inklusive Bildung als Transformation – Transformation durch inklusive Bildung“ fügte sich das ReMi-Projekt perfekt ein. Das Grundanliegen von ReMi ist es, durch konkrete und praktische Hilfsmittel so zu unterstützen, dass der Unterricht zunehmend inklusiv gestaltet werden kann. Damit soll eine dauerhafte Transformation in den Schulen erreicht werden.

Einführung zur ReMi-Konzeption

Im Symposium wurde zunächst die ReMi-Konzeption (vgl. https://inklusive-didaktik.de/) von der Projektleitung und -koordination Annedore Prengel, Ute Geiling und Anne Piezunka präsentiert. ReMi umfasst insgesamt 14 Schulfächer mit ihren Stufenmodellen samt Lernbausteinen. Weiterhin gehören Praxismaterialien z.B. in Form von exemplarischen Entwürfen für das Lernen am gemeinsamen Gegenstand sowie Führerscheinen und Lernpässen zum individuellen und kooperativen Lernen zu den zentralen Elementen, die zur Verbreitung inklusiver Bildung in der Fläche beitragen sollen.

Anschließend wurden Modelle und Materialien aus den Naturwissenschaften und der Arbeitslehre als zwei der beteiligten Fächer bzw. Lernfelder exemplarisch vorgestellt:

Inklusive Lernzugänge im naturwissenschaftlichen Unterricht

Marlen Grimm präsentierte das Modell für inklusive Lernzugänge im naturwissenschaftlichen Unterricht (ILZNAWI-Modell), auf dessen Grundlage die ReMi-Stufenmodelle für die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Chemie und Physik entwickelt wurden. Alle Unterlagen zum ReMi-Modell für die Naturwissenschaften finden sich auf der ReMi-Projektseite unter.

Exemplarisch am Beispiel einer Unterrichtseinheit zur Evolution des Menschen veranschaulichte Marlen Grimm die Umsetzung der ReMi-Modelle in der Praxis. Die vorgestellte Unterrichtseinheit startete mit einer Exkursion in den Zoo. Im Menschenaffen-Haus konnten die Schüler_innen das gemeinsame Ausgangsphänomen mit verschiedenen Sinnen wahrnehmen: Affe und Mensch. Zurück in der Schule wurden die gesammelten Eindrücke geteilt und eine gemeinsame Forschungsfrage abgeleitet: „Stammt der Mensch vom Affen ab?“. Nach einer Sammlung von Vermutungen und Hypothesen ging es dann an die (entlang des ILZNAWI-Modells) individualisierte Arbeit an den verschiedenen, aufeinander aufbauenden Lernzugängen:

In den gegenständlichen Zugängen untersuchten die Schüler_innen die Knochennachbildungen von Affen und Menschen, machten selbst Feuer und stellten einfache Werkzeuge her.

Der anschauliche Zugang hielt Bilder, Animationen und Videos bereit und bezog auch weiterhin die Knochennachbildungen mit ein. 

In der Überblicksstufe wurde der anschauliche Zugang um einfache Erklärungen zum Hören und Lesen erweitert. Hier entwickelten die Schüler_innen ein Überblicksverständnis über Fakten, Prozesse und Zusammenhänge der Evolution.

Bei den abstrakten Lernzugängen erarbeiteten sie sich mithilfe von Fachtexten und fachlichem Anschauungsmaterial Fakten, Prozesse und Zusammenhänge der menschlichen Evolution. 

Eine besondere Relevanz nach dieser intensiven individualisierten Arbeit hatte schließlich die Zusammenführung der Erkenntnisse der Lernenden aus den verschiedenen Lernzugängen in ein gemeinsames Lernprodukt – in diesem Fall ein Lernplakat.

Bei dieser Ergebnissicherung wurde nach und nach, unter Moderation der Lehrkraft, die gemeinsamen Forschungsfrage beantwortet und mit Erkenntnissen und entwickelten Lernprodukten aus den verschiedenen Lernzugängen angereichert. Auf diese Weise konnten sich alle Lernenden auf ihren jeweiligen Entwicklungsständen aktiv am gemeinsamen Lernprodukt beteiligen und einen wertvollen Beitrag zur Klärung der gemeinsamen Forschungsfrage leisten – ganz ohne Etikettierung oder Stigmatisierung.

Das vorgestellte ILZNAWI-Modell und die Einblicke in die Praxis führten zu einer anregenden Diskussion im Symposium, aus der wertvolle Impulse für die geplante empirische Evaluation der naturwissenschaftlichen Stufenmodelle gewonnen wurden.

Inklusive Lernzugänge im Lernfeld Arbeitslehre

Für den Unterricht in der Arbeitslehre stellten Bettina Streese und Susanne Eßer das im Kontext des ReMi-Projekts entwickelte Kompetenzmodell für das Lernfeld Arbeitslehre mit den fachlichen Teilbereichen Berufsorientierende Bildung, Haushalts- und Ernährungsbildung, Ökonomische Bildung, Technische Bildung und Textil- und Modebildung und die für das Lernfeld entwickelten Materialien vor, derzeit abrufbar unter: https://www.taskcards.de/#/board/f0598b7e-4a38-446f-afbe-10ea4863903c?token=504ebb04-2c03-46f5-af92-05ff74642385.

Abbildung: Kompetenzmodell für das Lernfeld Arbeitslehre (Streese/Eßer 2025)

Die fachlichen Teilbereiche des Lernfelds Arbeitslehre enthalten jeweils drei bis vier fachliche Stufenmodelle mit Lernbausteinen und dienen der möglichen fachlichen Orientierung und Adaption auf die jeweils spezifischen Vorgaben der geltenden fachlichen Strukturen und Lehrpläne in den Ländern. Im Fokus des Lernfelds Arbeitslehre steht ein übergreifender Kompetenzaufbau, der sowohl die Arbeits- und Berufsorientierung wie auch die Persönlichkeitsentwicklung der einzelnen Schüler_innen in den Blick nimmt. Im ReMi-Lernfeld Arbeitslehre erfolgt dieser durch die systematische Einbindung eines mehrperspektivischen Zugangs auf ein behandeltes Thema oder einen Gegenstand. Entsprechende Arbeitsmaterialien wurden unter Einbindung der 17 Ziele der UN zur Bildung für nachhaltige Entwicklung entworfen und im Symposium vorgestellt.

Exemplarisch wurde zudem für ein vernetztes Arbeiten im Lernfeld Arbeitslehre die Unterrichtsvorbereitung zum thematischen Vorhaben „Fast fashion – slow fashion“ präsentiert. Lernenden werden im Unterrichtsvorhaben schulstufenunabhängig mehrperspektivische inklusive Lernzugänge auf allen Aneignungsebenen angeboten, zudem werden sowohl individuelles als auch kooperatives Lernen ermöglicht. Ein begleitender Advance-Organizer wird im Unterricht eingesetzt, um den Lernprozess zu strukturieren und das Verständnis neuer Inhalte zu erleichtern. Zudem eröffnet er Räume für die Themen und Interessen der Lernenden und dient sowohl als materiale Lernbegleitung als auch zur Dokumentation individuellen sowie gemeinsamen Lernens:

Abbildung: Advance Organizer zum Unterrichtsvorhaben „Fast fashion – slow fashion“ im Lernfeld Arbeitslehre (Streese/Eßer 2025)

Das exemplarische Unterrichtsvorhaben verdeutlicht das Zusammenwirken der verschiedenen fachlichen Teilbereiche des Lernfelds Arbeitslehre und veranschaulicht fächerverbindendes Lernen:

Abbildung: Einbindung der fachlichen Teilbereiche des Lernfelds Arbeitslehre in das Unterrichtsvorhaben „Fast fashion – slow fashion“ (Streese/Eßer 2025)

Diskussion

Die abschließende Diskussion des Symposiums wurde von der Diskutantin Julia Frohn eingeleitet. Auf bildlich anschauliche Art stellte sie die durch die ReMi-Lernzugänge individuell möglichen Erschließungsprozesse der Schüler_innen durch Schlüssel für die Lernzugänge dar.

Abbildung: Lernzugänge im ReMi-Projekt (Frohn 2025)

Darüber hinaus wurden durch die Diskussion von Julia Frohn sowie den kritisch-konstruktiven Austausch im Plenum Fragen aufgeworfen, die das ReMi-Team sicherlich zukünftig in einzelnen Fachteams, wie auch im gesamten Projektteam beschäftigen werden:

  • Wie geht ReMi mit den Bildungsstandards um?
  • Wie wird ReMi an die Schulen gebracht? Können Multiplikator_innen zum Einsatz kommen?
  • Was sind Barrieren für die schulische Transformation in diesem Sinne? Welche Herausforderungen wurden oder werden in der praktischen Arbeit offenbar?
  • Wie können die ReMi-Modelle von Lehrkräften als alltägliche Mittel genutzt werden? Welcher Vorbereitungsaufwand ist mit dieser Herangehensweise verbunden?
  • Lassen die „Ich-kann“-Formulierungen (Kindersprache) Raum für partizipative Ausgestaltung?
  • Welche Themen gibt es, für die sich die ReMi-Herangehensweisen ggf. eignen?
  • Wie kann ReMi (fachübergreifend/fachspezifisch) evaluiert/empirisch begleitet werden?

Neben dem selbstgestalteten spannenden Symposium konnten die ReMi-Projektbeteiligten zudem vielfältige Einblicke in andere (Forschungs-)Projekte im Kontext inklusiver Bildung sammeln. Für Inspiration und anregende Diskussionen sorgten insbesondere die drei Keynotes von Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, Prof. Dr. Simone Abels und Prof. Dr. Jürgen Budde. Aus ReMi-Sicht war besonders interessant, dass sich im Hinblick auf die Planung inklusiven Unterrichts offenbar zunehmend ein Umdenken etabliert: sowohl Prof. El-Mafaalani als auch Prof. Abels wiesen aus verschiedenen Blickwinkeln darauf hin, dass eine Unterrichtsplanung ausgehend von ALLEN denkbaren Diversitätsdimensionen und -ausprägungen („Superdiversität“, El-Mafaalani, 2025) der Lernenden schier unmöglich oder zumindest überfordernd sei.

Ein möglicher Perspektivwechsel könne sein, anstelle der Lerngruppe zunächst den Lerngegenstand hinsichtlich seiner Barrieren und Anforderungen zu analysieren, um dann entsprechend inklusive Zugänge zu diesem Lerngegenstand auszudifferenzieren. Auf diese Weise könne man der Diversität der Lernenden ebenso oder noch besser gerecht werden. Dieser Ansatz könne Lehrkräfte entlasten und die Umsetzung von Inklusion praxisnah verbessern (Abels, 2025). Genau an diesem Punkt folgt das ReMi-Projekt der bildungstheoretischen und -didaktischen Tradition Wolfgang Klafkis, der betont, dass ein sachlicher Lerngegenstand so differenziert werden muss, dass eine subjektive Zugänglichkeit für die Lernenden ermöglicht wird.

ReMi – dein erster Tagungsauftritt war ein gelungener Schritt zur Verbreitung deiner Ideen zur Transformation inklusiver Bildung – es gibt noch viel zu tun und wir sind gespannt, wohin du uns noch führen wirst!

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